Internationaler Tag der Menschen mit Behinderungen
Mit dem Internationalen Tag der Menschen mit Behinderungen (#IDPD), der jährlich am 3. Dezember stattfindet, wird Bewusstsein für die Herausforderungen, mit denen Menschen mit Behinderungen konfrontiert sind, geschaffen und der Einsatz für deren Würde, Rechte und das Wohlergehen gefördert.
Auftaktveranstaltung des Parlaments
Zum Internationalen Tag der Menschen mit Behinderungen am 3. Dezember fand am 2. Dezember eine Auftaktveranstaltung des Parlaments im Reitersaal der Österreichischen Kontrollbank unter dem Titel „Ökonomische Selbstbestimmung als Schlüssel zur Inklusion“ statt. Auch im Hinblick darauf, dass das neue Parlamentsgebäude umfassend barrierefrei gestaltet und bereits ab Jänner 2020 Schulungen für Parlamentsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter im Umgang mit Menschen mit Behinderungen eingeführt werden sollen, bezeichnete Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka die Veranstaltung als einen ersten Auftakt, dem weitere folgen sollen. Im Rahmen der globalen Kampagne #PurpleLightUp war bis 4. Dezember symbolisch auch der Parlamentseingang am Josefsplatz lila beleuchtet.

Purple Light Up Day! Auftaktveranstaltung zum Internationalen Tag der Menschen mit Behinderung in der Österreichischen Kontrollbank
Diskussionsrunde; von links: Nationalratsabgeordnete Kira Grünberg (V), Martin Essl Essl Fondation, Alice Herzog ORF, Christian Keimel Microsoft Österreich, Präsident des Österreichischen Behindertenrates Herbert Pichler
© Parlamentsdirektion / Thomas Topf
Die Keynote der Veranstaltung – zu der Nationalratspräsident Sobotka gemeinsam mit Zweiter Nationalratspräsidentin Doris Bures, Drittem Nationalratspräsidenten Norbert Hofer sowie Bundesratspräsident Karl Bader eingeladen hatten – hielt der Autor und Unternehmensberater Saliya Kahawatte. Alice Herzog (ORF) moderierte die anschließende Podiumsdiskussion mit ÖVP-Nationalratsabgeordneter Kira Grünberg und dem Geschäftsführer der Essl Foundation, Martin Essl, sowie Christian Keimel von Microsoft Österreich und Herbert Pichler, Präsident des Österreichischen Behindertenrates. Die musikalische Gestaltung des Abends übernahmen Martin Ortner und Matthias Gerstner.
Sobotka: Barrierefreier Umgang sollte Selbstverständlichkeit sein
Das Parlament sei nicht nur Ort des Dialogs, sondern auch der Verantwortung – vor allem wenn es um Themen gehe, die die Gesellschaft grundlegend berühren, betonte Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka in seiner Begrüßung. 14 Prozent der Menschen in Österreich leben mit einer Behinderung, so Sobotka. Es sei ihm ein Anliegen, Bedürfnisse und Notwendigkeiten in diesem Zusammenhang zum Ausdruck zu bringen. Die Veranstaltung heute bezeichnete er als einen Auftakt, dem weitere folgen sollen. Nationalratspräsident Sobotka ermutigte alle, ob im Bildungs- oder Arbeitsbereich, als BotschafterInnen und MultiplikatorInnen das Thema voranzutreiben.
Aber auch in der Politik gebe es noch Nachholbedarf, um etwa als Abgeordnete oder Abgeordneter den Job ausüben zu können. Das Parlament werde das neue Gebäude umfassend barrierefrei gestalten und bereits ab Jänner kommenden Jahres Schulungen für MitarbeiterInnen im Umgang mit Menschen mit Behinderungen einführen. „Das sollte schon lange eine Selbstverständlichkeit sein“ – auch, um Sorgen und Ängste zu nehmen, so der Nationalratspräsident.
Kahawatte: Glück ist immer eine Überwindungsprämie
Unternehmensberater, Buchautor und Key-Note-Speaker Saliya Kahawatte berichtete von seinem außergewöhnlichen Lebensweg, auf dem er zahlreiche schwierige Hürden nahm. Mit 15 Jahren verlor Kahawatte den Großteil seines Sehvermögens, setzte aber alles daran, in seiner Weiterentwicklung „in der Welt der Sehenden“ zu bleiben, wie er sagte. So schloss er unter erheblichem Aufwand trotzdem das Abitur ab. Später absolvierte er eine Ausbildung zum Kellner und machte Karriere in der Hotellerie – allerdings ohne sein Handicap offenzulegen. Die Last dieser Lebenslüge habe aber dazu geführt, dass er irgendwann „zusammenbrach“, erzählte Kahawatte rückblickend.
Nach einer schweren Phase der Therapie begann er, offen mit seiner Behinderung umzugehen und erlernte nicht nur etwa die Blindenschrift, sondern schloss später auch ein internationales Management-Studium ab. Auch wenn die ersten Jahre mehr als hart gewesen seien, habe er an seinem Optimismus und seiner positiven Haltung festgehalten, so der Key-Note-Speaker. Dies führte Saliya Kahawatte etwa auch dazu, seine Autobiografie zu schreiben, die es schließlich auf die Bestsellerliste schaffte und Stoff für einen Kinofilm wurde. Ein Teil der Filmerlöse fließe nun der Saliya Foundation zu, die sich um die Integration von Menschen mit Sehbehinderung in den Gebieten Arbeit und Bildung kümmert.
Seine Lebensgeschichte zeige, dass private und berufliche Veränderungen feste Bestandteile unseres Lebens sind, unterstrich der Redner. Er bezeichne sich selbst „nicht als behindert, sondern als körperlich herausgefordert“ und sprach sich dafür aus, dass die richtige Haltung im Fokus stehen müsse. “ Glück ist immer eine Überwindungsprämie“, so Kahawatte. D as Auftreten eines Problems impliziere, dass es eine Lösung geben muss. „Die einzige Behinderung, die man im Leben haben kann, ist eine negative Haltung“, betonte er abschließend.
Diskussion mit vielschichtigen Themen
In der anschließenden Podiumsdiskussion wurden vielschichtige Aspekte wie etwa die Situation am Arbeitsmarkt, der Bereich Förderungen und die Bildungs- und Inklusionssituation, aber auch technologische Möglichkeiten thematisiert.
Nationalratsabgeordnete Kira Grünberg sieht insofern etwa Nachholbedarf im Parlament, als der Anteil an Menschen mit Behinderung bei Nationalratsabgeordneten nicht widergespiegelt wird. Das Suchen und Finden von besonderen Fähigkeiten, die Menschen mit Behinderung entwickelt können, müsse das Ziel unserer Gesellschaft sein, so Grünberg, die es außerdem als Aufgabe der Politik bezeichnete, Menschen bestmöglich zu informieren, welches Angebot es an Förderungen und Dienstleistungen gibt.
Martin Essl, Geschäftsführer der Essl Foundation und Herbert Pichler, Präsident des Österreichischen Behindertenrates, sehen als eine Ursache dafür, dass Menschen von ihrem Umfeld auf ihre Behinderung reduziert werden auch die Bildungssituation. Ein nicht funktionierendes Schulinklusionssystem und fehlender Bezug führe zu vorgefertigten Bildern und Ängsten, so Pichler. Er sprach sich für einen Inklusionsfonds, aber auch dafür aus, bei der Bildung anzusetzen. Zudem wünscht sich Pichler im Sinne der Schulinklusion einen Etappenplan für Sonderschulen.
Auf das Thema erfolgreiche Inklusion am Arbeitsmarkt setzt Martin Essl, der von zahlreichen Erfolgsprojekten und „Win-win-win-Situationen“ berichtete. Der Vorteil ergebe sich dreifach, nämlich für das Unternehmen, für den Menschen und für die Gesellschaft an sich. Auch in Klein- und Mittelbetrieben gebe es Möglichkeiten, erzählte er von einer Apotheke, die durch die Anstellung eines gehörlosen Pharmazeuten und seiner Kommunikation in Gebärdensprache auf 5.000 KundInnen verweisen könne.
Christian Keimel von Microsoft Österreich hob sein Unternehmen als eines hervor, das Menschen mit Behinderung unterstütze – etwa auch mit dem Standpunkt, dass jede und jeder in der Lage sein soll, die Produkte zu verwenden. Mit Martin Essl stimmte er darin überein, dass selbige von Grund auf barrierefrei entwickelt werden sollten und nicht erst im Nachhinein. Es gehe zwar immer auch um die handelnden Personen, Technologie ermögliche aber oft den „Riesenmehrwert“, dass Menschen mit und ohne Behinderung miteinander arbeiten und zu großartigen Ergebnissen kommen.
#PurpeLightUp: Lila Bestrahlung bis 4. Dezember am Josefsplatz

Josefsplatz lila, © Parlamentsdirektion / Michael Buchner
Im Rahmen der globalen Kampagne #PurpleLightUp erstrahlt das österreichische Parlament über die Veranstaltung hinaus bis 4. Dezember in lila Beleuchtung. In Österreich schlossen sich heuer auf Initiative der Beratungsagentur myAbility verschiedene Unternehmen und Organisationen der Kampagne an und setzen damit symbolisch sichtbare Zeichen für den wirtschaftlichen Beitrag von MitarbeiterInnen und KundInnen mit Behinderung. Das Beratungsunternehmen im Bereich DisAbility-Management unterstützt #PurpeLightUp in Österreich als Partner von PurpleSpace UK, wo die Aktion 2017 von Initiatorin Kate Nash gestartet wurde.
Quelle: Parlamentskorrespondenz Nr. 1148 vom 03.12.2019
Zentrale behindertenpolitische Zielsetzung des Sozialministeriums
Anlässlich des Internationalen Tages der Menschen mit Behinderungen erklärte Sozialministerin Brigitte Zarfl, dass die umfassende und barrierefreie Teilhabe von Menschen mit Behinderungen in sämtlichen Bereichen des täglichen Lebens die zentrale behindertenpolitische Zielsetzung des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz darstelle.
Forderungen zum internationalen Tag der Menschen mit Behinderungen
Der Österreichische Behindertenrat und Selbstbestimmt Leben Österreich bringen zum Internationalen Tag der Menschen mit Behinderungen drei besonders brennende Themen vor.
Armut von Menschen mit Behinderungen reduzieren!
Anlässlich des Internationalen Tages der Menschen mit Behinderungen (#IDPD) fordert das European Disability Forum entschlossene Maßnahmen zur Verringerung der Armut von Menschen mit Behinderungen in der Europäischen Union (EU). Die Österreichische Multiple Sklerose Gesellschaft und die Multiple Sklerose Gesellschaft Wien schließen sich dieser Forderung an.
PurpleLightUp
Mit der Kampagne #PurpleLightUp wird am 3. Dezember rund um den Erdball ein sichtbares Zeichen in Lila (“purple”) für Menschen mit Behinderung gesetzt und auf die wirtschaftliche Selbstbestimmung, ökonomische Teilhabe und den Beitrag von Menschen mit Behinderung aufmerksam gemacht.
Behindertenanwaltschaft: Bilanz zum Internationalen Tag der Menschen mit Behinderungen
„Im Jahr 2019 gab es im Sinne der Inklusion von Menschen mit Behinderungen keine bahnbrechenden Reformen“ resümiert der Anwalt für Gleichbehandlungsfragen für Menschen mit Behinderungen, Dr. Hansjörg Hofer. Viele Maßnahmen, die von der Behindertenanwaltschaft und Interessenvertretungen von Menschen mit Behinderung seit längerer Zeit gefordert werden, harren jedoch weiterhin ihrer Umsetzung und sollten in ein zukünftiges Regierungsprogramm aufgenommen werden.