Studie „Frauen, die behindert werden“

An einer Studie zur Lebenssituation von Frauen mit Behinderungen und/oder gesundheitlichen Beeinträchtigungen wirkten auch von Multipler Sklerose betroffene Frauen mit, u.a. unser Vorstandsmitglied Mag. Manuela Lanzinger. Viele der beteiligten Frauen betonten, dass sie nicht behindert sind, sondern dass sie durch vielfältige Barrieren behindert werden. Ein zentraler Wunsch, den die Studie aufgezeigt hat, sind mehr bzw. bessere barrierefreie Zugänge zu Informationen. Die Studienautorinnen möchten mit ihrer Arbeit einen Beitrag zum Abbau dieser Barrieren leisten.
Frauen, die behindert werden… … auf ihrem Weg zur Gleichstellung in Wien. Eine qualitative Studie mit und über Frauen mit Behinderungen in Wien (2019). Im Auftrag des Frauenservice Wien (MA 57).

Frauen, die behindert werden… … auf ihrem Weg zur Gleichstellung in Wien. Eine qualitative Studie mit und über Frauen mit Behinderungen in Wien (2019). Im Auftrag des Frauenservice Wien (MA 57).

 

Die wissenschaftliche Aufarbeitung der Situation und der Mitbestimmungsmöglichkeiten von Menschen beziehungsweise im Besonderen von Frauen mit Behinderungen ist lückenhaft. Daher hat das Frauenservice Wien (MA 57) 2018 das Forschungsinstitut L&R beauftragt, eine qualitative Studie zur Lebenssituation von Frauen mit Behinderungen und/oder gesundheitlichen Beeinträchtigungen in Wien durchzuführen.

Der Forschungsprozess bezog direkt betroffene Frauen mit ein. Diese berichteten über ihr Leben in Wien. Viele der beteiligten Frauen betonten, dass sie nicht behindert sind, sondern dass sie durch vielfältige Barrieren behindert werden. Einen Beitrag zum Abbau dieser Barrieren zu leisten ist ein Ziel der vorliegenden Studie.

Die Auswertung der qualitativen Studie zur Lebenssituation von Frauen mit Behinderungen und/oder gesundheitlichen Beeinträchtigungen in Wien förderte vor allem ein bedeutendes Ergebnis zutage: ♀️ Frauen SIND nicht behindert, sondern WERDEN durch vielfältige Barrieren behindert. 🎯 Ein Ziel der Studie ist es, einen Beitrag zum Abbau dieser Barrieren zu leisten.

Studienergebnisse

Barrierefreies Ausstellungsmodul

Ein zentraler Wunsch, den die Studie aufgezeigt hat, sind mehr beziehungsweise bessere barrierefreie Zugänge zu Informationen. Aus diesem Grund wurde mit der Architektin Gabu Heindl in Workshops, an denen Frauen mit unterschiedlichen Behinderungen oder gesundheitlichen Beeinträchtigungen teilgenommen haben, gemeinsam getestet, diskutiert und weiterentwickelt, wie ein möglichst barrierefreies Ausstellungsobjekt aussehen soll, damit es umfassend inklusiv ist.

Vizebürgermeisterin und Frauenstadträtin Kathrin Gaál (rechts) und Frauenservice Wien-Leiterin Marion Gebhart (links) vor dem barrierefreien Ausstellungsmodul, Foto:  PID/Martin Votava

Vizebürgermeisterin und Frauenstadträtin Kathrin Gaál (rechts) und Frauenservice Wien-Leiterin Marion Gebhart (links) vor dem barrierefreien Ausstellungsmodul, Foto: PID/Martin Votava

Ziel des Moduls ist es, (auswechselbare) Inhalte (von Museen, Magistratsabteilungen usw.) so aufzubereiten, dass sie für möglichst viele Menschen niederschwellig zugänglich sind. Ziel: Der Abbau von Barrieren. Durch die farbliche und ästhetische Gestaltung des Moduls soll zudem das Thema „Frauen mit Behinderungen“ in einem positiven und ansprechenden Sinne sichtbar und nachvollziehbar zu machen (Ziel: Sichtbarkeit und Sensibilisierung). Die Inhalte sind auswechselbar, das Ausstellungsmodul kann flexibel und variabel zusammengesteckt und erweitert oder auch verkleinert werden.

(Un-)Sichtbarkeit von Frauen mit Behinderungen während Corona

Die 12. Ausgabe von Frauen.Wissen.Wien lässt verschiedene Frauen mit (und ohne) Behinderungen oder gesundheitlichen Beeinträchtigungen zu Wort kommen und stellt unterschiedliche Aspekte der Vernetzung, der Selbstermächtigung und des Empowerments dar. Manuela Lanzinger, Vorstandsmitglied der MS-Gesellschaft Wien, verfasste für diese Ausgabe einen Beitrag über die Situation von Frauen mit Behinderungen oder chronischen Krankheiten in der Corona-Zeit. 

Frauen.Wissen.Wien. Nr. 12: Was uns behindert? Über Teilhabe und Sichtbarkeit von Frauen mit Behinderungen in Wien

Im Band „Frauen.Wissen.Wien. Nr. 12“ beschreibt Mag. Manuela Lanzinger die spezifischen Herausforderungen, mit denen Frauen mit Behinderungen und gesundheitlichen Beeinträchtigungen während und durch die Corona-Krise konfrontiert waren (und zum Teil immer noch sind).

Zur Belastung durch die eigene Behinderung oder Krankheit kamen für Frauen in der Corona-Krise verstärkt weitere Belastungen wie Kinderbetreuung durch geschlossene Kindergärten und Schulen, Pflege von kranken Angehörigen und mehr Arbeiten im Haushalt aufgrund fehlender Unterstützung im Lockdown dazu.

Gesundheitsversorgung während Corona

Spitalsbetten und die Intensivstationen waren voll mit Menschen, die an COVID-19 erkrankt waren. Das erschwerte die weitere Versorgung von chronisch kranken Menschen. Etliche wollten auch aus Angst vor einer Ansteckung keine Spitäler aufsuchen oder zur Ärztin/zum Arzt gehen, obwohl sie krank waren. Damit stieg das Risiko für Folgeschäden durch eine Erkrankung. Für Menschen mit chronischen Krankheiten ist eine durchgehende medizinische und therapeutische Betreuung besonders wichtig. Es gab aber zu wenige oder in manchen Fällen gar keine Therapien oder REHA-Angebote. Dadurch hat sich die Gesundheit und der körperliche Zustand von vielen Menschen mit Behinderungen stark verschlechtert.

Situation am Arbeitsplatz war sehr belastend

Menschen mit chronischen Krankheiten finden sowieso schwer einen Arbeitsplatz, in der Corona-Zeit wurde dies fast unmöglich. Durch Kurzarbeit sank das Einkommen. Das war (nicht nur) für Alleinerziehende fatal, die aufgrund von Behinderungen und chronischen Krankheiten sowieso Mehrausgaben haben.

Eiertanz bei Risikogruppenregelung

Für Menschen mit Vorerkrankungen wurde die Risikogruppenregelung geschaffen. Falls kein spezieller Schutz am Arbeitsplatz oder Homeoffice möglich waren, konnten sie von der Arbeit freigestellt werden. In diesem Fall konnten die Unternehmen die Lohnkosten für sie ersetzt bekommen. Allerdings gab es monatelange Unklarheiten bei der Definition der Risikogruppen und bei der Umsetzung der Regelung. Auch die Dauer der Risikogruppenregelung wurde immer erst im letzten Moment verlängert und führte damit zu einer hohen Unsicherheit und Verärgerung bei den Betroffenen.

Fehlende Barrierefreiheit bei digitalen Angeboten

Schon im ersten Lockdown wurde schnell sichtbar, dass viele digitale Angebote wie Info-Seiten zu Corona oder Websites für Impfanmeldungen nicht barrierefrei und somit für Menschen mit Behinderungen nicht nutzbar waren.

Fazit

Manuela Lanzinger kommt zu dem Schluss: Es gab bei den Verantwortlichen zu wenig Wissen über die Bedürfnisse von Frauen mit Behinderungen oder chronischen Krankheiten. Dadurch waren manche Entscheidungen nicht hilfreich. Und die notwendige Unterstützung kam viel zu spät oder gar nicht.

Den Artikel finden Sie in der Publikationsreihe „Frauen.Wissen.Wien.“ Nr. 12: „Was uns behindert – Über Teilhabe und Sichtbarkeit von Frauen mit Behinderungen in Wien“ ab Seite 75.

Dieser Text ist in einer Kurzfassung in Österreichischer Gebärdensprache als Audiofile und in Leichter Lesen unter www.frauen.wien.at abrufbar.

Publikationsreihe „Frauen.Wissen.Wien.“

Frauen.Wissen.Wien., Ausgabe 12: 1 MB PDF

Die Autorin

Mag. Manuela Lanzinger

Mag. Manuela Lanzinger

Mag. Manuela Lanzinger, geboren 1964, studierte Biologie auf Lehramt und arbeitet seit 1999 als Umweltberaterin bei Die Wiener Volkshochschulen. 2004 wurde bei ihr Multiple Sklerose (MS) diagnostiziert. Als Betroffene engagiert sie sich im Vorstand der Multiple Sklerose Gesellschaft Wien, der Österreichischen Multiple Sklerose Gesellschaft und als Beisitzerin im Vorstand des Österreichischen Behindertenrates. Sie ist Behindertenvertrauensperson von Die Wiener Volkshochschulen.

Quelle: Stadt Wien | Frauenservice Wien