Chronisch kranke Kinder nehmen mit Avatar am Unterricht teil

Ein Forschungsprojekt an der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde der MedUni Wien untersucht, wie sich Avatare auf die schulische Partizipation, das Zugehörigkeitsgefühl, Gefühle sozialer Isolation und das Wohlbefinden von Kindern mit chronischen Erkrankungen auswirken. Der Wissenschaftler Thomas Pletschko geht nun der Frage nach, ob Probleme, die durch häufige schulische Abwesenheit entstehen, mit Telepräsenz-Systemen wie beispielsweise Avataren minimiert werden können.

 

Etwa neun Prozent der österreichweit 190.000 von chronischen Erkrankungen betroffenen Kinder können die Schule wegen medizinischer Behandlungen oder Krankenhausaufenthalte nur unregelmäßig besuchen. Der eingeschränkte Schulbesuch wirkt sich nicht nur auf den Stoff aus, sondern hat auch eine nicht zu unterschätzende soziale Komponente. So kann das Fehlen persönlicher Kontakte Gefühle von Einsamkeit und sozialer Isolation verursachen. Darüber hinaus begünstigt ein mangelndes Zugehörigkeitsgefühl das Entstehen psychischer Folgeerkrankungen, einen geringen Selbstwert der betroffenen Kinder und eine ungünstige Verarbeitung der Krankheit.

Mittlerweile wird zunehmend versucht, die Teilnahme am Unterricht über Telepräsenz-Systeme wie Avatare, virtuelle Klassenräume und mobile Roboter zu ermöglichen. So werden beispielsweise  steuerbare Roboter eingesetzt, die Bild und Ton in beide Richtungen übertragen und von den Kindern gesteuert und bewegt werden können. Bei der Anwendung dieses Systems fühlen sich die kranken Kinder wegen ihres körperlichen Erscheinungsbildes oft unwohl, weshalb Thomas Pletschko vom Comprehensive Center for Pediatrics CCP der MedUni Wien und des AKH Wien und Leiter des Pediatric Brainfit Lab nun detailliert untersucht, wie sich der Einsatz des Avatars AV1 eines norwegischen Unternehmens auf die schulische Situation der Kinder und deren Eltern, sowie der Lehrerinnen und Lehrer auswirkt.

Telepräsenzroboter

Der Avatar AV1 ist ein Telepräsenzroboter, der physisch am Platz des Kindes im Klassenzimmer steht (oder auf Schulausflüge mitgenommen wird). Er ist über eine App mit dem Tablet oder Smartphone des betroffenen Kindes/Jugendlichen im Krankenhaus oder zu Hause verbunden. Dadurch wird die Teilhabe am schulischen Unterricht jederzeit ermöglicht. Der Avatar überträgt den Ton in beide Richtungen, das Videobild lediglich in eine Richtung. Auf diese Weise kann ein mit dieser Technologie augestattetes Kind seine Klassenkolleginnen und -kollegen hören und sehen ohne selbst gesehen zu werden. Die Audiofunktion funktioniert jedoch in beide Richtungen.

Im Zuge der für die Dauer von zwei Jahren angesetzten prospektiven Studie analysiert Pletschko an einer Stichprobe von Kindern und Jugendlichen mit chronischen Erkrankungen im Alter von 6 bis knapp 18 Jahren, die bereits mindestens ein Semester lang die Schule besucht haben und diese aufgrund ihrer Erkrankung für mindestens sechs Wochen nicht oder nicht regelmäßig besuchen können, die Nutzungsdauer und sozioökonomische Einflussvariablen der Avatar-Nutzung. Mit dieser Studie möchte der Psychologe ein besseres Verständnis für die schulischen Probleme von Kindern und Jugendlichen mit chronischen Erkrankungen zu schaffen und Interventionsmöglichkeiten aufzuzeigen, die sich mit Telepräsenz-Systemen auseinandersetzen.

Quelle: Medizinische Universität Wien