Propionsäure beeinflusst MS-Verlauf durch immunmodulatorischen Mechanismus

In einer internationalen Studie reduzierte die Gabe von Propionsäure zusätzlich zu MS-Medikamenten langfristig die Schubrate und das Risiko einer Behinderungszunahme bei Menschen mit Multipler Sklerose (MS). Die Forschenden gehen davon aus, dass dies auf die Darmflora zurückzuführen ist, die durch die Gabe von Propionsäure das Immunsystem stärkt.

Visualisierung Darm, Bild von LJNovaScotia auf Pixabay

Das Darm-Mikrobiom, die gesamte bakterielle Besiedlung des Darms, spielt auch im Zusammenhang mit Erkrankungen, die auf vielen Faktoren beruhen, eine entscheidende Rolle – so auch bei Multipler Sklerose. Im Darm findet die Interaktion zwischen der Nahrung, den dortigen Bakterien, deren Stoffwechselprodukten und dem Immunsystem in der Darmwand statt. So können die Darmbakterien direkt und indirekt Einfluss auf anatomisch entfernte Strukturen wie das Gehirn nehmen.

Kurzkettige Fettsäuren können Entzündungsreaktionen unterdrücken

Forscherinnen und Forscher der Neurologischen Klinik der Ruhr-Universität Bochum untersuchten im Rahmen einer internationalen Studie unter der Leitung von Prof. Dr. Aiden Haghikia die Rolle der kurzkettigen Fettsäure Propionsäure bei Menschen mit Multipler Sklerose. Dem Forschungsteam gelang es nachzuvollziehen, wie Darmbakterien durch die Verabreichung von Propionsäure vermehrt regulatorische Zellen des Immunsystems entstehen lassen. Die entsprechenden Studienergebnisse wurden im Fachmagazin „Cell“ veröffentlicht.

In ihrer Arbeit konnten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nachweisen, dass die Mikrobiom-Zusammensetzung bei Menschen mit Multipler Sklerose verändert ist. Zudem gelang es ihnen, einen Mangel von Propionsäure im Stuhl und Serum von MS-Betroffenen zu zeigen, die in der frühesten Phase der Erkrankung am stärksten ausgeprägt war.

In einer Kooperation mit Forschenden der Bar-Ilan University in Israel, die ein Darm-Modell zur funktionellen Analyse des Mikrobioms entwickelt hatten, zeigte sich, dass die Veränderung der Funktion der Bakterien im Darm als Folge der Propionat-Gabe die entscheidende Rolle bei der Entstehung neuer regulatorischer Zellen spielt. Zur gesteigerten Funktion dieser Zellen trägt deren verbesserte Energieverwertung durch eine veränderte Funktion der Mitochondrien bei, was das Forschungsteam in Kooperation mit der Arbeitsgruppe Molekulare Zellbiologie an der Medizinischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum nachweisen konnte.

Darm als Ziel für therapeutische Ansätze

Die kurzkettigen Fettsäuren stellen nur einen Bruchteil der Stoffwechselprodukte von Darmbakterien dar, die durch die bakterielle Einwirkung aus der Nahrung entstehen. Die weitere Erforschung dieses weitestgehend unbekannten Organs und die daraus gewonnenen Erkenntnisse bieten die Grundlage für die weitere Entwicklung innovativer diätetischer Maßnahmen als Ergänzung zu den bekannten Therapien.

Alexander Duscha, Aiden Haghikia et al.: Propionic acid shapes multiple sclerosis disease course by immunomodulatory mechanism, in: Cell, 2020, DOI: 10.1016/j.cell.2020.02.035

Quelle: Ruhr-Universität Bochum