Impfstoffe gegen das Corona-Virus – wo stehen wir und was bedeutet das für MS-Betroffene?

Die gängigsten Impfstoffe gegen das Covid-19-Virus sind Totimpfstoffe mit Virusprotein, Virus-Vektor-Impfstoffe und mRNA/DNA Impfstoffe.

Bitte beachten Sie, dass dieser Beitrag den Informationsstand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung am 23. November 2020 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

CoViD-19-Caccine, Foto: Daniel Schludi on Unsplash

Impfungen gehören zu den wichtigsten vorbeugenden Maßnahmen in der Medizin. Sie haben sowohl einen Nutzen für die geimpfte Person (individueller Nutzen) sowie auch für die Gesellschaft (gesellschaftlicher Nutzen). Wer geimpft ist, kann nicht nur selbst nicht mehr (schwer) erkranken, sondern auch niemand anderen mehr anstecken. Schwere Infektionskrankheiten wie z.B. die Pocken konnten in Europa durch die Impfung ausgelöscht werden.

Es sind derzeit 212 Impfstoffprojekte gegen das SARS-Cov2-Virus in Erforschung (Stand 12.11.2020, WHO).

Die gängigsten Impfstoffe gegen das Covid-19-Virus sind:

  1. Totimpfstoffe mit Virusprotein:
    Sie bestehen aus ausgewählten Bestandteilen der Viren oder enthalten das gesamte Material inaktivierter Viren. Die meisten der gebräuchlichen Impfungen (z.B. Grippe, FSME, Hepatitis, Tetanus, etc.) sind so aufgebaut und dürfen bei MS-Betroffenen, unabhängig von der aktuellen Therapie, angewendet werden.
  2. Virus-Vektor-Impfstoffe:
    Für diese Impfungen werden lebende Viren, die aber für den Menschen nicht schädlich sind, verwendet. Das Virus trägt den Bauplan für Bestandteile des SARS-Cov2 Virus in sich und löst damit eine Immunreaktion beim Wirten aus. Der 2019 zugelassene Impfstoff gegen das Ebola-Virus basiert auf dem Prinzip des Virusvektors. Lebendimpfungen dürfen bei MS unter immunsuppressiver Therapie nicht angewendet werden.
  3. mRNA/DNA Impfstoffe:
    Sie enthalten Bestandteile des Virus, die den Bauplan für ein oder mehrere Virusproteine enthalten. Die mRNA wird in körpereigene Zellen aufgenommen und löst eine Immunantwort aus. Dieses Prinzip ist neu, es gibt dazu noch keinen Impfstoff auf dem Markt. Da es sich um einen Totimpfstoff handelt, sollte er auch bei MS-Betroffenen anwendbar sein.

Risikogruppen für einen schweren Verlauf einer SARS-Cov2 Infektion stellen vor allem ältere Personen und Personen mit Begleiterkrankungen dar. Die Multiple Sklerose erhöht das Risiko eines schweren Verlaufs zunächst nicht, es spielt jedoch die aktuelle Therapie und das Ausmaß der Behinderung eine Rolle. Unter immunsuppressiven Therapien besteht ganz allgemein ein erhöhtes Infektionsrisiko, sodass hier die Impfung einen Schutz bieten kann. Umgekehrt kann das Ansprechen auf eine Impfung unter immunsuppressiver Therapie abgeschwächt sein.

Welche Impfstoffe gegen das SARS-Cov2-Virus sind am weitesten in der Entwicklung?

Von den zahlreichen Impfstoffprojekten gegen das SARS-Cov2-Virus wurden bereits drei Impfstoffe bei der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) eingereicht, um in einem Rolling-Review-Verfahren die Zulassung zu erwirken (Stand 22.11.2020). Rolling-Review bedeutet, dass die Daten aus laufenden Studien bereits von der EMA geprüft werden, bevor der formelle Antrag zur offiziellen Zulassung überhaupt eingereicht wird. Dies ermöglicht eine schnelle Stellungnahme seitens der EMA, ob der Impfstoff die Sicherheits- und Wirksamkeitskriterien erfüllt und somit zugelassen werden kann. Bei diesen Schnellverfahren gelten jedoch die gleichen Regeln und Sicherheitsbestimmungen wie bei einem regulären Zulassungsverfahren.

Der erste Impfstoff, der bei der EMA für das Rolling-Review-Verfahren angemeldet wurde (01.10.2020), war ChAdOx1-SARS-CoV-2, der aus einer Kooperation zwischen der Pharmafirma AstraZeneca und der Universität Oxford entsprungen ist. Er gehört zu den Virus-Vektor-Impfstoffen, bei denen ein Erkältungsvirus von Schimpansen genetisch manipuliert wurde, sodass es Baupläne des SARS-CoV-2 Virus enthält und im menschlichen Körper eine protektive Immunreaktion auslöst. Die Phase-III-Studie, bei der die Sicherheit und Wirksamkeit an einigen Tausend Probanden überprüft wird, läuft gerade und Ergebnisse werden im Dezember dieses Jahres erwartet. In den bisher publizierten Daten sind die häufigsten berichteten Nebenwirkungen von milder Ausprägung, wie z. B. Rötungen um die Einstichstelle, Kopfschmerzen sowie ein Gefühl der Erschöpfung. Die klinische Testphase musste kurz unterbrochen werden, da es bei einem Probanden zu einer Rückenmarksentzündung gekommen war, die jedoch, soweit beurteilbar, in keinem Zusammenhang mit der Impfung stand.

Der zweite Impfstoff namens BNT162b2, am 06.10.2020 bei der EMA registriert, wurde von der deutschen Firma BioNTech entwickelt und wird in Kooperation mit der Pharmafirma Pfizer klinisch geprüft. Dieser Impfstoff beruht auf einem neuen Prinzip, bei dem der Bauplan für bestimmte Eiweißstoffe des SARS-COV-2 Virus per mRNA in den Menschen eingebracht wird. Dieser Bauplan wird von Zellen im menschlichen Körper aufgenommen und zusammengebaut. Gegen die dabei entstehenden Eiweißstoffe wird nun eine Immunreaktion gestartet, sodass der Körper im Falle einer Infektion mit SARS-COV-2 gerüstet ist. Obwohl dieses Prinzip der Impfung neu ist, kam es laut Pressemitteilung der Firma Pfizer in der klinischen Testphase 3, bei der mehr als 43.000 Teilnehmer eingeschlossen wurde, zu keinen schwerwiegenden Nebenwirkungen. Die errechnete Wirksamkeit betrug ca. 90 %. Die häufigsten und schwerwiegendsten berichteten Nebenwirkungen waren Müdigkeit, Abgeschlagenheit und Kopfschmerzen. Eine Herausforderung, die im Falle einer Zulassung bestünde, wäre bei diesem Impfstoff die logistische Verteilung, da BNT162b2 bei sehr niedrigen Temperaturen (-70/ -80°C) transportiert und gelagert werden muss.

Der dritte Impfstoff, am 16.11.2020 bei der EMA angemeldet, ist ebenfalls ein mRNA Impfstoff mit dem Namen mRNA-1273 und wurde von der Biotech-Firma Moderna entwickelt. Dieser Impfstoff beruht auf einem ähnlichen Wirkmechanismus wie der Wirkstoff BNT162b2. Laut Pressemitteilung der Firma Moderna wurden 30.000 Teilnehmer in die Phase-III-Studie eingeschlossen und es konnte eine Wirksamkeit von 94,5% errechnet werden. Es traten keine schwerwiegenden Nebenwirkungen auf; die meisten berichteten Nebenwirkungen waren Rötungen um die Einstichstelle, Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Muskelschmerzen und Kopfschmerzen. Ein Vorteil, den dieser Impfstoff gegenüber BNT162b2 haben dürfte, sind die höheren Lagertemperaturen und somit eine einfachere Logistik.

Impfung für Menschen mit Multipler Sklerose?

Erste Pressemeldungen sprechen von einer Verfügbarkeit der neuen Corona-Impfstoffe in der EU noch im Dezember bzw. Anfang des nächsten Jahres. Die Impfstoffe sollen zunächst Risikogruppen zur Verfügung gestellt werden. Da die MS per se kein Risikofaktor für einen schweren Verlauf einer Covid-19 Infektion darstellt, gehören MS-Betroffene zunächst nicht zum engeren Kreis der Personen, die geimpft werden müssen. Sehr wohl spielen aber die bekannten Risikofaktoren wie das Alter, Begleiterkrankungen, Einschränkungen der Mobilität und der Lungenfunktion genauso bei MS-Betroffenen für die Dringlichkeit der Impfung eine Rolle.

Bislang gibt es keine Untersuchungen zu Sicherheit und Wirksamkeit von Corona-Impfstoffen unter MS-Therapie. Noch gibt es keine allgemein gültigen Empfehlungen zur Corona-Impfung bei MS. Die aktuelle Therapie muss bei der Wahl des Impfstoffes jedoch berücksichtigt werden.

Ausführliche Informationen finden Sie unter www.sozialministerium.at/faqcoronavirus-impfung.

Quellen

Univ. Prof. Dr. Barbara Kornek
Dr. Tobias Zrzavy, PhD
Universitätsklinik für Neurologie
Medizinische Universität Wien

 

 

Dr. Florian Krammer erklärt CoVD-19 Impfstoffe, Technologien und Wirkungsweise

Weiterführende Informationen

Webseite des Bundesministeriums für Soziale, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz

Das Sozialministerium hat gemeinsam mit der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) eine Info-Hotline zur Impfung gegen das Coronavirus eingerichtet. Unter der Telefonnummer 0800-555-621 kann man Fragen zur Wirksamkeit und Sicherheit der Impfstoffe stellen. Die Hotline ist sieben Tage die Woche, rund um die Uhr erreichbar.

Corona-Virus schwebt über einer Hand vor weißem Hintergrund, Text: Unsere Blog-Beiträge zum Thema Corona, Credit: Canva