Wenn es heiß wird – Selbsthilfe bei Hitze

Das Uhthoff-Phänomen ist eine vorübergehende Verschlimmerung typischer Symptome der Multiplen Sklerose unter dem Einfluss von Hitze oder erhöhter Körpertemperatur. Betroffene können selbst etwas zur Reduzierung von Hitze tun. Aber auch Maßnahmen der Politik und öffentlicher Stellen sind notwendig.

von Mag. Manuela Lanzinger, Vorstandsmitglied der MS Gesellschaft Wien

Bild von Gerd Altmann auf Pixabay

Hitze kann zu einer vorübergehenden Verschlechterung der MS-Symptome führen. Betroffene befürchten dann, dass sie einen Schub haben. Das ist aber nicht der Fall. Denn sobald die Umgebungstemperatur bzw. die erhöhte Körpertemperatur durch Fieber oder körperliche Anstrengung wieder auf Normalwerte sinkt, vergehen die Symptome. Dieses Phänomen wird auch als Uhthoff-Syndrom bezeichnet. 60 – 80 Prozent der Menschen mit Multipler Sklerose sind davon betroffen.

Auswirkungen des Uhthoff-Syndroms

Funktionsstörungen vorgeschädigter Nerven treten durch äußere Hitzeeinwirkung oder erhöhte Körpertemperatur häufiger auf als bei normalen Temperaturverhältnissen. Die temperaturbedingte Verschlechterung der Leitfähigkeit demyelinisierter Axone kann eine vorübergehende Minderung der Sehschärfe nach körperlicher Anstrengung bewirken und betrifft neben MS-Betroffenen auch Menschen mit anderen demyelinisierenden Erkrankungen. Die Symptome können Fatigue verschlechtern und sich im schlimmsten Fall in vorübergehenden, kompletten Lähmungserscheinungen zeigen, bilden sich jedoch stets zurück.

Selbsthilfe bei Hitze

  • Hitze draußen lassen: Während der kühleren Nacht- und Morgenstunden die Fenster weit und lange öffnen! Während des heißen Tages nur wenige Minuten querlüften.
  • Außenliegenden Sonnenschutz verwenden: Außenjalousien, Rollläden, Markisen oder Fensterläden verhindern das Aufheizen des Raumes.
  • Wärmequellen reduzieren: Eingeschaltene oder falsch eingestellte Elektrogeräte im Haushalt produzieren Wärme – abschalten ist angesagt.
  • Wenn sich die sommerliche Überwärmung aufgrund der baulichen Gegebenheiten nicht verhindern lässt, sind Ventilatoren eine energiesparende Alternative zu Klimaanlagen. Die Luftbewegung kann hohe Temperaturen erträglicher machen. Falls es doch nicht ohne Klimaanlage geht, sind sogenannte Split-Klimageräte mit Innen- und Außengerät, Kühldecken oder Erdwärmetauscher mit Sommerbypass besser geeignet. Achten Sie beim Kauf von Klimageräten unbedingt auf die passende Leistung zur Raumgröße und die Energieeffizienz: bei A+++ Geräten liegt der SEER-Wert (Leistungszahl im Kühlbetrieb) über 8,5. Je weniger runtergekühlt wird, desto niedriger sind der Energieverbrauch und die Belastung für das Klima.
  • Die Wirkung von Medikamenten kann sich bei Hitze verändern. Einige Medikamente verringern das Schwitzen, das Durstgefühl, den Blutdruck oder die Herzleistung. Andere erhöhen die Körpertemperatur oder verursachen einen Mangel an Flüssigkeit oder Elektrolyten. Daher klären Sie ärztlich ab, ob die Dosis Ihrer Medikamente bei Hitze angepasst werden muss.
  • Trinken Sie ausreichend. Beim Schwitzen gehen dem Körper nicht nur Wasser sondern auch Salz, Magnesium und andere Elektrolyte verloren. Mit Gemüsesuppen lässt sich der Salzverlust ausgleichen. Als Durstlöscher eignen sich neben Mineralwasser ungezuckerte Kräuter- und Früchtetees sowie mit Wasser verdünnte Obst- und Gemüsesäfte. Klären Sie bei Herz- oder Nierenerkrankungen Ihre individuelle tägliche Trinkmenge fachärztlich ab!
  • Essen Sie Speisen mit kühlendem Effekt, wie z.B. Äpfel, Ananas, Melonen, Blattsalate, Tomaten, Gurken.
  • Tragen Sie kühlende Kleidungsstücke wie Kühlarmbänder, Kühlwesten oder ein in der Gefriertruhe gekühltes Funktionsshirt.
  • Wer körperlich fit ist, kann dem Uhthoff-Syndrom ein Schnippchen schlagen. Besonders empfehlenswert ist eine regelmäßige körperliche Betätigung mit Sportarten wie Schwimmen.

Hitzeschutz-Maßnahmen der öffentlichen Hand

Auch ältere Menschen, Kleinkinder oder Menschen mit anderen chronischen Krankheiten leiden unter den zunehmenden Hitzetagen. Daher werden Hitzeschutz und Maßnahmen zur Klimawandelanpassung immer wichtiger.

Die Weltgesundheitsaktion WHO hat bereits 2011 eine Leitlinie zur Vermeidung von gesundheitlichen Schäden durch Hitze erstellt. Wichtig dabei sind die Einrichtung eines Hitze-Frühwarnsystems, Vorsorgen im Gesundheitswesen und Verbesserungen im Wohnungsbau und der Stadtplanung.

Viele Staaten – auch Österreich und einige Bundesländer – haben Hitzeschutzaktionspläne erstellt.  Die Bevölkerung soll Informationen zum Schutz vor Hitze erhalten. Bei bevorstehender Hitzebelastung gibt es Hitzewarnungen an vordefinierte Stellen der jeweils betroffenen Bundesländer, das Gesundheitsministerium und die jeweilige Landesgeschäftsstelle der Apothekerkammer.

GeoSphere organisierte im Mai 2023 eine Infoveranstaltung für Meteorolog:innen über die Auswirkungen von Hitze vor allem auf Menschen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Dazu sollten auch Betroffene über ihre Situation berichten und die Notwendigkeit von rechtzeitigen Hitzewarnungen darstellen. Brigitte Heller vom Verein Lichterkette präsentierte, welche Hinweise Menschen mit psychischen Krankheiten benötigen. Ich berichtete, wie Menschen mit MS vom Uhthoff-Syndrom betroffen sind.

In den Hitzeschutzplänen sind auch Maßnahmen zu Verbesserungen im Wohnungsbau und der Stadtplanung festgelegt. Im Wohnbau ist auf Energieeffizienz und die Reduzierung von Hitze in Innenräumen zu achten. Eine gute Wärmedämmung und gute, dichte Fenster halten im Sommer kühl und im Winter warm. Pflanzen an der Fassade und am Dach können die sommerliche Überwärmung reduzieren.

Bei der Stadtplanung setzt zum Beispiel die Stadt Wien zur Vermeidung von Hitzeinseln auf mehr Grünflächen, Nebelduschen, öffentliche Badestrände, Förderung von Kühlungsmaßnahmen und den Ausbau von kostenfrei zugänglichen coolen Zonen (Räume mit 20 bis 24 Grad) (siehe den Hitzeaktionsplan der Stadt Wien).

Bei der heurigen Überarbeitung des Hitzeaktionsplans in Wien habe ich für den Behindertenrat Kommentare und Empfehlungen zur stärkeren Berücksichtigung von Risikogruppen und zur Barrierefreiheit eingebracht.

Klage für Klimaschutz

Die Klimakrise ist in Österreich angekommen: extreme Wetterereignisse, hitzebedingte Ernteausfälle, Überschwemmungen… bedrohen unsere Zukunft. Um die Erderwärmung zu begrenzen, braucht es Gesetze, die das Klima und die Grundrechte der Menschen schützen. Betroffene und engagierte Menschen klagten beim Verfassungsgerichtshof, dass die klimaschädliche Gesetzgebung abgeschafft wird. Einer, der an der Klageklage mitwirkte, ist Mex. Er hat MS und ist stark vom Uhthoff-Phänomen betroffen. Ab höheren Temperaturen ist er auf einen Rollstuhl angewiesen. Österreich ist zum Schutz der Gesundheit im Falle von massiven Umwelteinflüssen verpflichtet. Der Verfassungsgerichtshof wies aber die Klage zurück. Mex reichte deshalb im März 2021 eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) ein, dass seine Grundrechte vom Staat Österreich nicht ausreichend geschützt werden. Mehrere tausend Seiten Gutachten, Unterlagen und Antragstext umfasst die eingebrachte Klage. Die Entscheidung ist noch offen. https://klimaklage.fridaysforfuture.at/

 

von Mag. Manuela Lanzinger