„Aufbruch ins Leben“ – Ein Film von Michael Cencig

„Werde, der du bist“, sagte der griechische Dichter Pindar. Wer die Entfaltung des eigenen Potenzials aus den Augen verliert, steht in der Regel irgendwann an. Dann bietet sich die Chance zu Umkehr und Neuanfang. Günter überwand durch die Begegnung mit einer Bibelrunde seine Heroinsucht, Anja vollzog im Corona-Shutdown eine Wende weg von ihrem ungeliebten Brotberuf und hin zu ihrer großen Leidenschaft, der Musik. Swantje reagierte auf eine Erkrankung an Multipler Sklerose, die sie wochenlang lähmte, mit einer tiefgreifenden Neuordnung ihrer Prioritäten: Sie begann ein Theologiestudium.

AUFBRUCH INS LEBEN. TV-Dokumentation, 35 min, 2020, Regie: Michael Cencig Im Bild: Swantje Lampert, Saxophonistin aus Wien. Fotocredit: ORF/Metafilm

AUFBRUCH INS LEBEN. TV-Dokumentation, 35 min, 2020, Regie: Michael Cencig Im Bild: Swantje Lampert, Saxophonistin aus Wien. Fotocredit: ORF/Metafilm

Menschen, die mitten im Leben einen Neuanfang, einen Aufbruch wagen: Bei manchen hat die Bewältigung einer schweren Lebenskrise zu dieser oft radikalen Neuausrichtung geführt. Bei anderen hat das Gefühl, ihr Leben dämmere mittelmäßig dahin, den Entschluss herbeigeführt: Es muss jetzt anders werden! Michael Cencig stellt in seinem „kreuz und quer“-Film „Aufbruch ins Leben“ am 4. Mai 2021 um 22.35 Uhr in ORF 2 drei Menschen vor, die von ihren persönlichen Neuanfängen erzählen. Es sind sehr unterschiedliche Lebensgeschichten.

Anja Thaler arbeitete viele Jahre als Personalberaterin. Diese Tätigkeit befriedigte sie zunehmend weniger, aber die dreifache Mutter sah keine andere Möglichkeit, entsprechend zum Familieneinkommen beizutragen. Sie glaubte die längste Zeit, ihre eigenen künstlerischen Ambitionen hintanstellen zu müssen. Ihr Herz schlug immer schon für die Musik, aber sie traute sich nicht zu, diese gefühlte Berufung mit dem notwendigen Geldverdienen zu verbinden. Bis irgendwann die Kunden ausblieben und Anja gezwungen war, sich neu zu orientieren. Sie lernte Andy Baum kennen, der sie ermutigte, in seinem Studio eine neue CD aufzunehmen. Schließlich bündelte sie ihre Expertise als Personalberaterin und Musikerin zu einem neuen Geschäftsmodell.

Bei Günter Goiginger ist es seine Drogensucht, die er nach mehr als 20 Jahren hinter sich gelassen hat. „Das Hauptproblem ist nicht das Heroin“, sagt Günter heute, „das Hauptproblem sind unsere Herzen – die suchenden Herzen, die völlig orientierungslos sind und entweder nicht bereit oder nicht wissend.“ Die Begegnung mit einem Bibelkreis hat einst Günters Umkehr eingeleitet. Sein Neuanfang war eine klassische Umkehr – eine Erfahrung, wie sie vielfach in der Bibel bezeugt ist. Sein neuer Aufbruch ins Leben war für ihn nicht das Ergebnis eigener Anstrengung, zu der er nach zwei Dekaden exzessiven Drogenkonsums keine Kraft mehr gehabt hätte, sondern reines Gottesgeschenk, zu dem er nur noch „Ja“ sagen musste.

Bei Swantje Lampert war es die plötzliche Erkrankung an Multipler Sklerose, die sie auf sich selbst zurückwarf: Eines Tages wollten die Finger der Saxofonistin nicht mehr so, wie sie wollte. Dieses Gefühl der Lähmung erfasste sukzessive den ganzen Körper – bis sie sich fragte, ob ihr Ende unmittelbar bevorstand: „Das war die eigentliche Grenzerfahrung. Und da ist mir plötzlich etwas bewusst geworden – dieses Akzeptieren, Annehmen was ist. Ich hab mir dann die ganze Zeit gedacht, Dein Wille geschehe.“ Damit ist nicht Kapitulation gemeint, im Gegenteil: Swantje hat gelernt, auf ihren Körper zu hören, der ihr verlässlich signalisiert, was ihr guttut und was nicht. Heute arbeitet sie wieder als Saxofonistin und tritt öffentlich auf.

Für den evangelischen Gefängnis- und Krankenhaus-Seelsorger Arno Preis, der in der Doku das Thema aus seiner praktischen seelsorglichen Erfahrung reflektiert, ist das Thema „Metanoia, Umkehr ein regelmäßiges Hintergrundthema, das uns nicht immer bewusst ist“. Dabei schwinge immer auch die Frage nach Freiheit und Verantwortung mit. Im Lauf seiner beruflichen Tätigkeit hat er zahlreiche Menschen begleitet, die Kehrtwenden vollzogen haben – sei es im Zusammenhang mit einer Haftstrafe oder einer schweren Erkrankung.