In dankbarer Erinnerung an Erika Wesely

20 Jahre lang hat sich Erika Wesely als Selbsthilfegruppenleiterin engagiert. Am 23. Juli 2020, exakt an ihrem 81. Geburtstag, verstarb die gebürtige Salzburgerin, die der Liebe wegen als junge Frau nach Wien gekommen ist, in ihrer Wahlheimat.

In dankbarer Erinnerung an Erika Wesely

Erika Wesely hat sich von ihrer Krankheit nicht unterkriegen lassen, hat lange, mit großer Beharrlichkeit um ihre Selbstbestimmung gekämpft und jeder neuen körperlichen Einschränkung mit starkem Willen ihr Wollen entgegengesetzt.

Die 1939 geborene Erika Wesely bereicherte nicht nur das Leben von zwei Söhnen, fünf Enkeln und einer Urenkelin, sondern war auch für Menschen mit Multipler Sklerose und deren Angehörige über Jahrzehnte ein großes Vorbild.

Trotz ihrer MS-Erkrankung, die mit zunehmenden körperlichen Einschränkungen einherging, engagierte sie sich mit Leidenschaft von 1997 bis 2017 als Leiterin der Selbsthilfegruppe „Sonnenschein“, die später in „MS Kontaktgruppe“ umbenannt wurde.

In den Jahren darauf nahm sie an den regelmäßigen Treffen des MS-Clubs teil. Dessen Leiter, Günther Ringelhann, hat „nur positive Erinnerungen“ an Frau Wesely, die – sofern es ihr möglich war – bei allen Veranstaltungen der MS-Gesellschaft Wien und des MS-Clubs dabei war. „Ich kannte Erika seit 1996 und habe ihren Weg daher gut mitbekommen. Sie war immer eine Kämpferin“ erinnert sich Ringelhann.

Positive Einstellung trotz zunehmender Einschränkungen

In den vielen Gesprächen, die wir vom Team der MS-Gesellschaft Wien mit Frau Wesely führen durften, bewunderten wir vor allem ihre positive Einstellung gegenüber dem Leben und den Menschen, die sie umgaben, und für die sie stets ein offenes Ohr und ein wertschätzendes Wort übrighatte – selbst in Situationen, in denen es ihr selbst nicht gut ging.

Liebe zum Garten

Frau Wesely, die in der Nähe des MS-Beratungszentrums in Wien Hernals wohnte und uns noch im Jahr 2019 mehrere Besuche abstattete, schwärmte stets von ihrem wunderbaren Garten, den sie über alles liebte. Auch wenn sie nun in einen anderen Garten gegangen ist, wird Frau Wesely immer einen großen Platz in unseren Herzen einnehmen.

Die letzte Ruhestätte unserer geschätzten Selbsthilfegruppenleiterin befindet sich am Friedhof Hernals, Gruppe C, Grab 222. Wir bedanken uns herzlich für die Kranzspenden, die der MS-Gesellschaft Wien zugutekommen.

Text aus dem Nachlass von Erika Wesely

Mein Name ist Erika Wesely, ich bin MS-krank. Ich will aus meinen Erfahrungen mit der MS-Selbsthilfegruppe einiges erzählen.

Nun, wie bin ich zur Selbsthilfegruppe gekommen? Ich leide an dieser Krankheit rückblickend sicher schon seit 1970, aber zum Glück verlief die Krankheit schubförmig. Auch 1988, als die Krankheit diagnostiziert wurde, hatte ich noch keine Gedanken an eine Selbsthilfegruppe. Bei meinem ersten Kuraufenthalt im August 1990 erzählte mir eine Rollstuhlpatientin von der MS-Gesellschaft Wien als Ansprechstelle, ich solle mich an Frau Kallina wenden. Diese riet mir im Oktober 1990, zu einer Selbsthilfegruppe zu kommen. Meine Mutter in Salzburg war damals sterbenskrank und verstarb noch im Dezember 1990. Darum hatte ich andere Präferenzen.

Selbsthilfegruppe, was ist das überhaupt? Wird dort nicht nur über die Krankheit gesprochen? Da wird man doch noch kränker! Das waren früher meine Gedanken. Nachdem es mir bis Ende 1992 schleichend schlechter ging, beschloss ich, zur Gruppe von Shannon Pulliam im Nachbarschaftszentrum 15 zu gehen und war begeistert. Mir ging es damals so, wie es sicher auch heute jenen geht, die zum ersten Mal wieder unter fremde Leute kommen. Durch die Krankheit, weil man nicht mehr so mobil ist und überall mittun kann, durch die diversen Handicaps zieht man sich zurück. Weil die Krankheit noch nicht so bekannt war, gab es wenig Verständnis. Es ist auch für Familienangehörige nicht leicht, mit Behinderungen des Partners oder Elternteils zu leben.

Auf einmal konnte ich reden und erfuhr, wie andere mit der Krankheit zurechtkommen., von den Hochs und Tiefs. Ich erfuhr von Therapien, Medikamenten, Ansprechstellen für diverse Gelegenheiten wie etwa dem Fahrtendienst. In der Gruppe sind wir beisammen aus den verschiedensten Bevölkerungskreisen, aus allen Bildungsschichten. Denn wir sitzen alle im gleichen Boot. Ich habe gelernt, mich nicht zu viel auf mich selbst zu konzentrieren, hinunterzuschauen und dankbar zu sein. Es gibt noch viel schwerere Fälle. Auch finde ich, ein Problem bedrückt nicht mehr so arg, wenn man darüber sprechen kann.

Als Shannon ihr Baby bekam, bin ich mehr oder weniger in die Leitung der Gruppe hineingestoßen worden. Dabei wurde ich von Herrn Kaltenböck von der MS-Gesellschaft Wien unterstützt. Frau Bauer, Sozialarbeiterin bei der MS-Gesellschaft Wien, brachte mich 1997 zu Brigitte Aukenthaler, die im MS-Tageszentrum eine Selbsthilfegruppe leitete. Die Gruppe trifft sich jeden zweiten Mittwoch, einmal mit einem Plauderabend, dann wieder bei einem Vortrag. Ich bin seit damals auch in dieser Gruppe und habe von Frau Aukentaler viel über Gruppenführung gelernt. Überhaupt kommen mehrere Mitglieder aus meiner Gruppe auch in die Gruppe zu Brigitte Aukenthaler und umgekehrt.

Seit Juni 1999 treffen wir uns monatlich im Gesundheits- und Sozialzentrum. Die meisten in unserer Gruppe sind schon körperlich beeinträchtigt. Daher könnten unsere Gruppenabende nicht so klaglos ablaufen, würden uns nicht Herr Kaltenböck, Herr Ringelhann und Frau Reisenbichler immer so gut mit Getränken und Broten mit Aufstrichen versorgen, die dann mit der MS-Gesellschaft abgerechnet werden.

Zusammenfassend möchte ich sagen, dass ich froh bin, dass es Selbsthilfegruppen gibt. Durch diese habe ich viele Freunde gewonnen. Beim Ausreden wird schon vieles leichter. Ich bin froh und dankbar, dass es Organisationen wie die MS-Gesellschaft und andere soziale Einrichtungen gibt. Und vor allem, dass es so viele freiwillige Helfer wie z.B. Herrn Kaltenböck, Herrn Ringelhann und Frau Reisenbichler gibt. Danke.