MS-Linderung während Schwangerschaft

Bei Frauen mit Multipler Sklerose (MS) werden während der Schwangerschaft weniger Schübe dokumentiert, viele von MS betroffene Frauen fühlen sich während einer Schwangerschaft auch besser als erwartet. Deutsche Forschende gehen davon aus, dass dies an der gezügelten Immunantwort während der Schwangerschaft liegt.

schwangere Frau mit schwarzem Haar, zugedeckt mit grauer Decke, von oben fotografiert, Credit: Sergiu Vălenaș, Unsplash

Während der Schwangerschaft treten bei Frauen mit Multipler Sklerose weniger Schübe auf. Deutsche Forschende haben im Rahmen einer kleinen Studie eine mögliche Ursache für dieses Phänomen gefunden: So nehmen viele dominante T-Zell-Varianten während der Schwangerschaft ab und treten danach wieder auf, was möglicherweise erklärt, weshalb bei Schwangeren mit Multiple Sklerose seltener Schübe auftreten als vor und nach einer Schwangerschaft.  Die Forschenden möchten nun herausfinden, ob sich daraus eine therapeutische Perspektive ableiten lässt.

Die Reduktion von Multiple Sklerose-Schüben bei Schwangeren könnte an der gezügelten Immunantwort während der Schwangerschaft liegen.

Stefan M. Gold, Neurowissenschaftler am Institut für Neuroimmunologie und Multiple Sklerose (INIMS) des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf, hat mit seinem Team T-Zell-Populationen bei 11 von MS betroffenen Frauen vor, während und nach der Schwangerschaft sowie bei 12 Frauen ohne MS während und nach der Schwangerschaft untersucht. Die Forschenden kategorisierten die T-Zellen auf der Grundlage einer genetischen Analyse der Rezeptoren der Zellen in verschiedene Gruppen.

Dabei fanden sie heraus, dass die T-Zellen der MS-Patientinnen im ersten Schwangerschaftsdrittel von nur wenigen Typen – sogenannten Klonen – dominiert waren und jeweils einen anderen T-Zell-Rezeptor aufwiesen. Zwischen dem ersten und dritten Schwangerschaftsdrittel nahm die Anzahl dieser dominanten Klone ab, zudem waren die T-Zellen regelmäßiger über die verschiedenen Populationen verteilt, berichten Gold uns seine Mitforschenden im Fachmagazin „Cell Reports„. Bei Frauen ohne MS waren die schwangerschaftsbedingten Veränderungen im T-Zell-Repertoire nicht signifikant.

Die in der Studie erhobenen Daten liefern Hinweise darauf, dass die Profilerstellung des T-Zell-Repertoires während der Schwangerschaft als Instrument zur Entdeckung und Verfolgung „privater“ T-Zell-Klone dienen könnte, die mit der Krankheitsaktivität bei Autoimmunität assoziiert sind.

Langfristig möchte Gold den Mechanismus identifizieren, durch den der Körper während der Schwangerschaft nur bestimmte T-Zellen herunterreguliert, und diesen zur MS-Behandlung nutzen.

Derzeit analysiert Gold die Transkriptome der T-Zellen aus der Kohorte der MS-Patientinnen, die an der Studie teilgenommen haben und hofft, molekulare Schalter zu identifizieren, durch die sich die herunterregulierten Klone von anderen unterscheiden. Er möchte gewissermaßen herausfinden, welche molekularen Schalter diese wenigen Klone „zum Absturz bringen“ und welche nicht, und – basierend auf diesem Ergebnis – neue Therapieansätze entwickeln, die dasselbe auch bei nicht schwangeren Menschen tun.

Literatur: Stefan M. Gold et al.: T Cell Repertoire Dynamics during Pregnancy in Multiple Sclerosis. Cell Reports, Published: October 22, 2019, https://doi.org/10.1016/j.celrep.2019.09.025