MS-typische T-Helfer-Zellen identifiziert

Forschende der Universität Zürich identifizierten T-Helferzellen, die bei der Entstehung von Multipler Sklerose eine Schlüsselrolle spielen.

Gehirn, Foto: Alina Grubnyak, Unsplash

Bei der Multiplen Sklerose (MS) dringen regelmäßig fehlgeleitete Immunzellen in das Gehirn von Betroffenen ein. Dort schädigen sie die Signalübertragung zwischen den Nervenzellen und bewirken den Verlust von Zellen des Zentralnervensystems. Nun identifizierte ein internationales Forschungsteam unter der Leitung von Burkhard Becher am Institut für Experimentelle Immunologie der Universität Zürich (UZH) die Immunmerkmale der für Multiple Sklerose charakteristischen Immunzellen. Becher konnte mit seinen Kolleginnen und Kollegen im Blut von Menschen mit schubförmig remittierender Multipler Sklerose (RRMS) eine spezifische Population weißer Blutkörperchen identifizieren, die vom Blut ins Zentralnervensystem austreten und dort zu Entzündungen der Nervenzellen führen. Damit verfügen diese Immunzellen über zwei Fähigkeiten, die für Multiple Sklerose charakteristisch sind.

Zentrale Merkmale fehlgeleiteter Immunzellen

Mithilfe der hochdimensionalen Zytometrie, bei der Millionen von Zellen bei Hunderten von Individuen untersucht und deren Immunmerkmale bestimmt werden, konnten die Immunzellen charakterisiert werden.

Dem interdisziplinären Team bestehend aus Medizinern, Biologen und Computerwissenschaftlern gelang es, im peripheren Blut von Menschen mit Multipler Sklerose eine Zellpopulation zu identifizieren, die sich klar von den Abwehrzellen aus Blutproben von Menschen mit anderen entzündlichen und nicht entzündlichen Erkrankungen unterscheidet. Diese fehlgeleiteten T-Helfer-Zellen produzieren einerseits das neuroinflammatorische Zytokin GM-CSF, andererseits befinden sich auf diesen Immunzellen große Mengen des Chemokinrezeptors CXCR4 und des Membranproteins VLA4.

Die von der Forschungsgruppe identifizierte Zellpopulation verfügt damit über zentrale MS-typische Eigenschaften: Das Zytokin löst laut Edoardo Galli, Erstautor der Studie, neuronale Entzündungen aus, und dank den Rezeptoren können die Immunzellen in das Zentralnervensystem eindringen. Zudem fanden die Forschenden heraus, dass die für Multiple Sklerose charakteristischen Abwehrzellen auch in der Hirnflüssigkeit und in den Hirnschädigungen von Patienten stark vertreten sind. „Dies deutet darauf hin, dass sie einen direkten Einfluss auf die Krankheit haben“, so Galli.

Die Zytokindysregulation ist ein zentraler Treiber für chronisch entzündliche Erkrankungen wie Multiple Sklerose (MS). Galli et al bestimmten die charakteristischen Polarisationsprofile von Zellen und Zytokinen bei Personen mit schubförmig remittierender Multipler Sklerose (RRMS) durch hochdimensionale Einzelzell-Massenzytometrie (CyTOF). Unter Verwendung einer Kombination von auf neuronalen Netzwerken basierenden Repräsentationslernalgorithmen identifizierten sie bei Menschen mit Multipler Sklerose eine erweiterte T-Helferzell-Untergruppe, die durch die Expression des Granulozyten-Makrophagen-Kolonie-stimulierenden Faktors und des CXC-Chemokinrezeptors Typ 4 charakterisiert ist. In unabhängigen Validierungskohorten stellte die internationale Forschungsgruppe fest, dass diese Zellpopulation bei Menschen mit Multipler Sklerose im Vergleich zu jenen mit anderen entzündlichen und nicht entzündlichen Erkrankungen erhöht ist. Schließlich stellt das T-Zell-Profil ein spezifisches therapeutisches Ziel bei MS dar, so die Forschenden.

Starke Hinweise, aber noch kein Beweis

Die im Fachmagazin Nature Medicine veröffentlichten Forschungsergebnisse deuten Becher zufolge eindeutig auf einen direkten Zusammenhang zwischen den MS-Immunmerkmalen und der Krankheit hin. Der identifizierte Biomarker dürfte für das Monitoring von Menschen mit Multipler Sklerose sehr nützlich sein, vermutet Burkhard Becher. Allerdings ist es – auch wenn starke Hinweise vorliegen – noch zu früh zu behaupten, die MS-typische Zellpopulation würde die Krankheit verursachen. Zunächst sind weitere Studien nötig, um die Hypothese zu bestätigen. Sollte sich der Verdacht erhärten, wird die detaillierte Charakterisierung dieser Immunzellen laut Becher „wohl auch zu neuen Therapien führen“.

Edoardo Galli,  Felix J. Hartmann, Bettina Schreiner,  Florian Ingelfinger, Eirini Arvaniti, Martin Diebold, Dunja Mrdjen, Franziska van der Meer, Carsten Krieg, Faiez Al Nimer, Nicholas Sanderson, Christine Stadelmann, Mohsen Khademi, Fredrik Piehl, Manfred Claassen, Tobias Derfuss, Tomas Olsson & Burkhard Becher. GM-CSF and CXCR4 Define a T Helper Cell Signature in Multiple Sclerosis. Nature Medicine. July 22, 2019. DOI: 10.1038/s41591-019-0521-4

Quelle:  Universität Zürich