B-Zellen können zu Entzündungen und Schädigungen im Gehirn führen

Forscherinnen und Forscher aus der Schweiz und Schweden entschlüsselten einen entscheidenden Aspekt in der Entstehung und Entwicklung von Multipler Sklerose: Sie konnten erstmals zeigen, dass bestimmte B-Zellen jene T-Zellen aktivieren, die die Entzündung im Gehirn und die Schädigung der Nervenzellen auslösen.

Bei der Multiplen Sklerose greift das Immunsystem die Myelinhülle der Nervenfasern an (weiß), Credit: Ralwel/iStockphoto

Bei Multipler Sklerose führen nicht nur bestimmte T-Zellen zu Entzündungen und Schädigungen im Gehirn, sondern auch ein anderer Typ von Abwehrzellen: Sogenannte B-Zellen. Diese aktivieren im Blut die T-Zellen. Diese Entdeckung erklärt, wie neue MS-Medikamente wirken und eröffnet neue Therapieoptionen.

Der Neurologe Roland Martin und die Immunologin Mireia Sospedra konnten mit Kolleginnen und Kollegen von der Universität Zürich, dem Universitätsspital Zürich und dem schwedischen Karolinska Institut in einer am 30. August 2018 im Fachmagazin Cell publizierten Studie erstmals darstellen, dass bestimmte B-Zellen – die antikörperproduzierenden Zellen des Immunsystems – jene T-Zellen aktivieren, die die Entzündung im Gehirn und die Schädigung der Nervenzellen auslösen.

Neue MS-Medikamente greifen B-Zellen an

T-Zellen, die sogenannten T-Helfer-Lymphozyten, fungieren als „Wächter der Immunabwehr“. Sie schlagen beispielsweise bei Infektionen mit Viren oder Bakterien Alarm. Bei etwa jeder tausendsten Person gerät die Fähigkeit der „zellulären Aufpasser“, zwischen körpereigenen und fremden Strukturen zu unterscheiden, durcheinander. Resultat ist, dass die fehlgeleiteten T-Zellen das eigene Nervengewebe attackieren – der Beginn von Multipler Sklerose. Die T-Zellen sind für diesen Vorgang allerdings nicht allein verantwortlich.

Beteiligung von B-Zellen an der Pathogenese

Martin erklärte in einer Aussendung der Universität Zürich, dass eine Klasse von MS-Medikamenten, Rituximab und Ocrelizumab, ihn und sein Team auf die Spur gebracht habe, dass auch die B-Zellen eine wichtige Rolle in der Pathogenese spielen. Rituximab und Ocrelizumab beseitigen nämlich die B-Zellen, wodurch die Hirnentzündung und die Krankheitsschübe der Patientinnen und Patienten gehemmt werden.

Anhand eines experimentellen In-vitro-Systems, mit dem Blutproben untersucht werden können, ermittelten die Forschenden die konkrete Rolle der B-Zellen. So zeigte sich im Blut von Menschen mit MS eine erhöhte Aktivierung und Zellteilung jener T-Zellen, die sich gegen die körpereigenen Nervenfaserhüllen richten. B-Zellen, die mit den T-Zellen interagieren, konnten als Auslöser dieses Prozesses festgemacht werden. Wurden die B-Zellen eliminiert, hemmte dies sehr wirksam die T-Zellvermehrung. Damit konnten Martin und seine Kolleginnen und Kollegen den bisher noch unklaren Wirkmechanismus dieser MS-Medikamente entschlüsseln.

Aktivierte T-Zellen wandern ins Gehirn

Darüber hinaus entdeckten die Forschenden, dass sich unter den aktivierten T-Zellen im Blut insbesondere solche befinden, die bei Krankheitsschüben von Menschen mit MS auch im Gehirn auftreten. Vermutlich sind diese für die Entzündungsherde verantwortlich.

In weiteren Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass diese T-Zellen Strukturen eines Proteins erkennen, das sowohl von den B-Zellen als auch von Nervenzellen im Gehirn produziert wird. Nach der Aktivierung im peripheren Blut wandern die T-Zellen ins Gehirn ein, wo sie das Nervengewebe zerstören.

„Unsere Resultate erklären nicht nur, wie die neuen MS-Medikamente wirken, sondern bahnen auch den Weg für neue Ansätze in der MS-Grundlagenforschung und -therapie.“
Roland Martin, Leiter des klinischen Forschungsschwerpunkts Multiple Sklerose der Universität Zürich.

Ivan Jelcic, Faiez Al Nimer, Jian Wang, Verena Lentsch, Raquel Planas, Ilijas Jelcic, Aleksandar Madjovski, Sabrina Ruhrmann, Wolfgang Faigle, Katrin Frauenknecht, Clemencia Pinilla, Radleigh Santos, Christian Hammer, Yaneth Ortiz, Lennart Opitz, Hans Grönlund, Gerhard Rogler, Onur Boyman, Richard Reynolds, Andreas Lutterotti, Mohsen Khademi, Tomas Olsson, Fredrik Piehl, Mireia Sospedra, and Roland Martin. Memory B Cells Activate Brain-Homing, Autoreactive CD4+ T Cells in Multiple Sclerosis. Cell. August 30, 2018. DOI: 10.1016/j.cell.2018.08.011

Kerstin Huber-Eibl, Quelle: Universität Zürich