Leistungsaberkennung schafft Barrieren

Bei Anträgen auf die Zuerkennung von Mindestsicherung, Invaliditätspension oder Rehabilitationsgeld sind Menschen mit Multipler Sklerose immer wieder der Willkür von Verwaltungsbehörden ausgesetzt. Die Österreichische Armutskonferenz spricht sogar von „Schikanen der Mindestsicherungs-Kürzung“ durch Einrechnung des Pflegegeldes. Nun spricht ein Mitglied der MS-Gesellschaft Wien offen darüber, wie mit chronisch Kranken umgegangen wird.

Stanislaus-S., Foto: Kerstin Huber-Eibl

Stanislaus S. rät allen MS-Betroffenen, sich auf die Beine zu stellen und gegen Unrecht anzukämpfen.

Die Zuerkennung der Mindestsicherung stellt für in Privathaushalten lebende Menschen mit erheblicher Behinderung häufig ein finanzielles Existenzminimum dar. Auch der 38-jährige Wiener Stanislaus S., der seit seiner Kindheit von Multipler Sklerose betroffen ist, ist auf die existenzsichernde Zahlung angewiesen. Seine Ausbildung als Grafiker konnte er nicht abschließen, und bis auf ein dreiwöchiges Praktikum konnte er aufgrund der Erkrankung nie arbeiten.

Die Macht der Gutachter

Insgesamt drei Ärzte des Kompetenzzentrums der Pensionsversicherungsanstalt (PVA) attestierten ihm im Mai 2017 die volle Arbeitsfähigkeit.
Dabei hatte sich der Gesundheitszustand des Mannes, in dessen Behindertenpass eine 60-prozentige Behinderung vermerkt ist, keineswegs verbessert.
Nach wie vor begleiten Schwindel, Gleichgewichtsstörungen, Doppelbilder, Lichtempfindlichkeit, Allergien, Tinnitus und ein ausgeprägtes Fatigue-Syndrom seinen Alltag.

Ein von der PVA eingesetzter Neurologe befand, dass eine Besserung des Gesundheitszustandes möglich sei, obwohl der zuvor begutachtende Allgemeinmediziner eine sukzessive Verschlechterung der Symptomatik verzeichnet hatte. Herr S. könne ständig mittelschwere Arbeiten im Sitzen, Stehen und Gehen durchführen, so die Prognose. Er sei sowohl für Bildschirmarbeit und Publikumsverkehr als auch Tätigkeiten im Bücken, Knien und Hocken geeignet.

Während der Neurologe für ein fallweise forciertes Arbeitstempo plädierte, trauen ein Allgemeinmediziner und ein Psychiater Herrn S. ein normales Arbeitstempo unter fallweiser Lärmeinwirkung und eine forcierte Belastung der Hände zu. Ungeachtet der Hyperthermie befanden alle Gutachter, Herr S. könne auch bei Nässe und Hitze arbeiten.

Rechtsunsicherheit durch Entscheidungskompetenz der Verwaltungsbehörden

Kurz nach Abschluss der Untersuchungen langte schließlich eine Vorladung seitens des Arbeitsmarktservice (AMS) ein, worauf sich Herr S. an die MA 40 – Sozialamt wandte. Dort wurde erklärt, er müsse nicht beim AMS erscheinen, da sich das Sozialamt um die Angelegenheit kümmern werde. Prompt wurde die Mindestsicherung für den Monat August um 25 % gekürzt.

Nachdem Herr S. schließlich beim AMS vorgesprochen und sich arbeitsunfähig erklärt hatte, wurde das Sozialamt seitens des AMS ersucht, vor einer Arbeitslosmeldung die Arbeitsfähigkeit abzuklären, da dem AMS kein entsprechendes ärztliches Gutachten vorliege. Nun wartet der 38-jährige mit seiner Familie gespannt auf den endgültigen Bescheid über seine Arbeitsfähigkeit und hofft, dass ihm nicht seine Existenzgrundlage entzogen wird.