Warten oder Starten: Der Richtige Zeitpunkt für den Therapiebeginn

Aus mehreren Gründen herrscht Uneinigkeit über den optimalen Zeitpunkt des Beginns mit einer Multiple Sklerose-Basistherapie.

Befürworter eines möglichst frühen Beginns (unter Umständen oder im Idealfall bereits nach dem ersten Schub), führen folgende Argumente ins Treffen:

  1. Für alle Interferon-beta Präparate wie auch für Glatirameracetat konnte eine Reduktion der Schübe in den ersten 2 Jahren nachgewiesen werden. Nachdem die Anzahl der Schübe in den ersten Jahren einen prognostischen Faktor für den weiteren Verlauf der Erkrankung darstellt, wäre es logisch, möglichst früh mit einer Therapie zu beginnen.
  2. Patientinnen, die im Rahmen von Studien zuerst für 2 Jahre Placebo erhalten hatten und erst danach auf eine Therapie mit einem Interferon-beta Präparat oder Glatirameracetat umgestellt wurden, litten auch noch viele Jahre später an stärkeren Behinderungen als die von Beginn behandelte Gruppe. Somit konnte der Nachteil eines um nur 2 Jahre späteren Behandlungsbeginns auch nach vielen Jahren nicht mehr wett gemacht werden.
  3. Alle Basistherapien wirken in erster Linie auf das Entzündungsgeschehen, welches am Beginn der Erkrankung dominiert. Der spätere Untergang von Nervenzellen kann dagegen bis heute nicht beeinflusst werden. Durch Zuwarten verliert man so Jahr für Jahr mehr von dem zu erwartenden therapeutischen Effekt dieser Substanzen.

Gegner eines (allzu)frühen Therapiebeginns argumentieren folgendermaßen:

  1. In manchen Fällen kann die Diagnose ‚Multiple Sklerose’ erst im Verlauf der Erkrankung definitiv gestellt werden. Es besteht somit die Ge fahr, dass Patientinnen zunächst behandelt werden, obwohl sich
    später herausstellt, dass gar keine MS besteht.
  2. Ein kleiner Teil aller MS Patientinnen wird zeitlebens keine relevante (bleibende) Behinderung erfahren, sodass man auch von gutartiger MS spricht. Somit besteht bei einem Therapiebeginn gleich nach dem ersten Schub  ein gewisses Restrisiko, dass Patientinnen behandelt werden, die eine solche Therapie gar nicht benötigen. Derzeit gibt es aber zu Beginn der Erkrankung keine Möglichkeit herauszufinden, ob ein individueller Patient in die (kleine) Gruppe der gutartig verlaufenden MS fällt oder nicht.
  3. Gibt es bis dato keinen definitiven Beweis, dass Interferone in der Lage sind, das Auftreten einer bleibenden Behinderung tatsächlich verhindern oder zumindest längerfristig hinauszögern zu können.
  4. Nicht zuletzt wird argumentiert, dass ein früher Therapiebeginn von der pharmazeutischen Industrie vehement beworben wird, weil dadurch höhere Profite erwartet werden können.

Als erste wurde schließlich im Jahr 2000 eine Studie publiziert, welche eine Behandlung mit Interferon-beta 1a bei Patientinnen nach einem erstmaligen Schub untersuchte. Nach einjähriger Therapie hatten in der mit Placebo behandelten Gruppe signifikant mehr Patientinnen einen zweiten Schub erlitten und somit definitionsgemäß eine Multiple Sklerose entwickelt. Die Studie wurde aus diesem Grund leider vorzeitig beendet, worunter die Aussagekraft (insbesondere ob dieser Vorteil auch über längere Zeit anhält) deutlich gelitten hat. Jedenfalls hat Interferon-beta 1a damit eine Zulassung zur Therapie nach einem erstmaligen Schub unter bestimmten Zusatzbedingungen erhalten.

Weitere Studien haben einen ähnlich positiven Effekt auch für die an deren Interferonpräparate und Glatirameracetat gezeigt, sodass auch diese Substanzen für eine Anwendung bereits nach einem ersten Schub zugelassen wurden.

Diese Ergebnisse, mehr aber noch Ergebnisse der Grundlagenforschung, die nahe legen, dass bereits früh im Verlauf der Erkrankung Mechanismen in Gang gesetzt werden, die später unabhängig von der Entzündung  weiterlaufen und zu Schäden im Nervensystem führen, lassen einen möglichst frühen Therapiebeginn empfehlenswert erscheinen, jedenfalls dann, wenn prognostische Faktoren nahe legen, dass weitere Schübe in der Zukunft wahrscheinlich sind.

Auszug aus dem MS-Lesebuch. In diesem erfahren Sie mehr über den richtigen Zeitpunkt für den Beginn einer Basistherapie.

Multiple Sklerose – ein Lesebuch

Ao. Univ.-Prof. Dr. Fritz Leutmezer hat bereits die 3. Auflage seiner praxisnah verfassten Lektüre „Multiple Sklerose – ein Lesebuch“ herausgebracht.

Der Inhalt des Buches spannt einen Bogen über alle wesentlichen Themen im Zusammenhang mit Multipler Sklerose. Die Leserinnen und Leser erfahren von der Geschichte der „Erkrankung ohne Namen“, über die vor mehr als 700 Jahren das erste Mal berichtet wurde, ebenso viel wie auch über die Entstehung und Behandlung von MS.

Das Besondere an diesem Buch sind aber zweifellos die zahlreichen Interviews mit Betroffenen, die in Form von Statements im ganzen Buch zu finden sind. Ebenso kommen behandelnde Neurologen zu Wort, die einen spannenden Einblick in die Frage „Wie gehen Ärzte mit der Erkrankung um?“ erlauben.  Auch das Team der MS-Gesellschaft Wien durfte zu den Kapiteln „Alles was Recht ist“ und „Chaos in der Seele“ einen Beitrag leisten.

Das MS-Lesebuch ist gegen eine Spende (ab 20,00 Euro) zzgl. Versandkosten (3,00 Euro) bei der MS-Gesellschaft Wien erhältlich.

Bestellungen werden gerne unter der E-Mail-Adresse office@msges.at oder der kostenfreien Telefonnummer 0800 311 340 entgegen genommen.

Der Versand erfolgt nach Zahlungseingang.

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Das MS-Lesebuch von Univ.-Prof. Dr. Fritz Leutmezer spannt einen Bogen über alle wesentlichen Themen im Zusammenhang mit Multipler Sklerose.