Erhöhter Kündigungsschutz

Für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit gesundheitlichen Einschränkungen bzw. Behinderungen gibt es in Österreich die Möglichkeit, einen sogenannten „Feststellbescheid“ beim Sozialministeriumservice zu beantragen. Dieser „Feststellbescheid“ ist mit einer Reihe von arbeitsrechtlichen Vorteilen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verbunden, insbesondere einem erhöhten Kündigungsschutz. Als rechtliche Grundlage hierfür gilt das sogenannte „Behinderteneinstellungsgesetz“.

Voraussetzung ist die österreichische Staatsbürgerschaft (bzw. eine Gleichstellung wie EU-Bürgerinnen und Bürger, anerkannte Flüchtlinge) und ein Grad der Behinderung ab 50 %. Eine Begünstigung allein aufgrund der Diagnose ist nicht möglich, sondern hängt von den konkreten vorhandenen gesundheitlichen Einschränkungen (Behinderung) ab. Als Behinderung wird eine mindestens sechs Monate andauernde funktionale Einschränkung bezeichnet.

Ausgenommen sind Pensionistinnen und Pensionisten, Schülerinnen und Schüler sowie Studierende.

Wie bekomme ich den Feststellbescheid?

Mittels eines offiziellen Antrages bei der zuständigen Landesstelle des Sozialministeriumservices kann der Feststellbescheid beantragt werden. In weiterer Folge werden Sie zu einer amtsärztlichen Untersuchung eingeladen, bei welcher der Grad der Behinderung festgestellt wird. Ab einem Grad der Behinderung von mindestens 50 % bekommen Sie einen Feststellbescheid ausgestellt. Dieser wird Ihnen einige Zeit nach der Untersuchung schriftlich übermittelt.

Was bringt der Feststellbescheid?

Mit der Begünstigten-Eigenschaft ergeben sich für Dienstnehmerinnen und Dienstnehmer folgende arbeitsrechtliche Sonderansprüche wie

  • erhöhter Kündigungsschutz
  • Zusatzurlaub (sofern dies im Kollektivvertrag, Dienstrecht oder Betriebsvereinbarung vorgesehen ist)
  • Lohnsteuerfreibetrag* (kann ab einem Grad der Behinderung von 25 % beim Finanzamt beantragt werden)
  • Fahrpreisermäßigung* (z.B.: ab einem Grad der Behinderung von 70 % auf Bahnlinien der ÖBB)
  • Förderungen für arbeitstechnische Hilfen, Arbeitsplatzadaptierungen etc.

*TIPP: Diese Vorteile hängen mit der Feststellung des Grades der Behinderung zusammen und können ebenso über den Behindertenpass bezogen werden. Auch ein abschlägiger Bescheid des Sozialministeriumservices kann im Falle des Lohnsteuerfreibetrages ab einem Grad der Behinderung von 25 % als Nachweis der Behinderung bei der Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmerveranlagung verwendet werden.

Was bringt der erhöhte Kündigungsschutz?

Ein erhöhter Kündigungsschutz bedeutet, dass der/die Dienstgeberin/Dienstgeber vor Ausspruch einer Kündigung die Zustimmung des Behindertenausschusses einholen müssen. Dieser stimmt einer Kündigung nur zu, wenn ein weiterer Verbleib der Person im Betrieb dem Arbeitgeber nicht zumutbar ist. Als Kündigungsgründe werden angegeben:

  • Entfall des Tätigkeitsbereiches des begünstigten Behinderten
  • Dienstunfähigkeit des begünstigten Behinderten (langer Krankenstand, dessen Ende nicht absehbar ist)
  • Dienstpflichtverletzung durch den begünstigten Behinderten

Ebenso ist der erhöhte Kündigungsschutz an ein bestimmtes Zeitfenster gebunden:

Kein Schutz besteht

  • Während der ersten vier Jahre eines ab 1. Jänner 2011 neu begründeten Arbeitsverhältnisses mit einem begünstigten Behinderten
  • Während der ersten sechs Monate eines ab 1. Jänner 2011 neu begründeten Arbeitsverhältnisses mit einem noch nicht begünstigten Behinderten, der während dieses Arbeitsverhältnisses begünstigt wurde

Der erhöhte Kündigungsschutz gilt ab sofort, wenn das Arbeitsverhältnis schon vor dem 1. Jänner 2011 bestanden hat und der Feststellbescheid nach dem 2. Juni 2011 beantragt wurde.

TIPP: Nehmen Sie sich für die Entscheidung zum Feststellbescheid jedenfalls genügend Zeit. Vor allem für junge Menschen die noch keine sichtbaren Behinderungen haben und noch öfters Jobwechsel anstreben, kann der Feststellbescheid leider mitunter auch eine Art Handicap am ersten Arbeitsmarkt sein, da manche Arbeitgeber auch trotz der gesetzlichen Lockerung den erhöhten Kündigungsschutz als abschreckend empfinden.

ACHTUNG! Die „Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten“ muss dem Arbeitgeber/der Arbeitgeberin zwar nicht mitgeteilt werden, es kann aber negative Folgen auf den erhöhten Kündigungsschutz für Sie haben, wenn Sie ihren Feststellbescheid geheim halten. Grund hierfür ist die nachträgliche Zustimmung des Behindertenausschusses zu einer bereits ausgesprochenen Kündigung, bei welcher der Dienstgeberin/dem Dienstgeber zum Zeitpunkt der Kündigung nicht bekannt war und nicht bekannt sein musste, dass die Dienstnehmerin/der Dienstnehmer dem Personenkreis der begünstigten Behinderten angehört.

Wie funktioniert das mit den Förderungen?

Die Einstufung als begünstigte/r Behinderte/r ist die Voraussetzung für finanzielle Förderungen, die der Eingliederung in die Berufswelt dienen. Sie werden entweder der begünstigten Person selbst oder an den Betrieb ausbezahlt und aus dem Ausgleichstaxenfonds bezahlt. Gefördert werden z.B. Umbau- oder Adaptierungsmaßnahmen am Arbeitsplatz, aber auch Schulungen für behinderte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.

Ausgleichstaxe

Österreichische Dienstgeberinnen und Dienstgeber, die im Bundesgebiet 25 oder mehr Personenbeschäftigen, müssen pro 25 Dienstnehmerinnen und Dienstnehmern mindestens eine begünstigte behinderte Person einzustellen. Wird diese Beschäftigungspflicht nicht erfüllt, ist eine Ausgleichstaxe zu entrichten.

2022 beträgt die Ausgleichstaxe für jede einzelne begünstigte behinderte Person, die zu beschäftigen wäre,

  • für Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber mit 25 bis 99 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern monatlich EUR 276,00
  • für Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber mit 100 bis 399 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern monatlich EUR 388,00
  • für Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber mit 400 oder mehr Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern monatlich EUR 411,00