HGrafik eines Mikrofons für das Herbstymposiumerbstsymposium der MS-Gesellschaft Wien: Lust am L(i)eben und der Sexualität

“Reden ist Silber, Schweigen ist Gold“ – dieser Spruch mag in vielen Lebensbereichen zutreffen, doch wenn es um Sexualität geht, kann Schweigen zu Unzufriedenheit und Missverständnissen führen. Gerade bei chronischen Erkrankungen wie Multipler Sklerose wird das Thema Sexualität oft ausgeblendet. Doch warum eigentlich? Sexualität ist mehr als nur ein körperlicher Akt – sie ist ein essentieller Teil unseres Wohlbefindens, unserer Identität, unserer Lebensfreude. Mit unserem diesjährigen Herbstsymposium im Ringturm wollten wir das Schweigen brechen, Tabus überwinden und einen Raum schaffen, in dem Sexualität und MS offen und positiv thematisiert werden – mit Fokus auf Körperwahrnehmung, persönliche Erfahrungen und die Freude am Leben und Lieben.

Sexualität als Schlüssel zum Wohlbefinden

Univ.-Prof. Dr. Michaela Bayerle-Eder, Spezialistin für Sexualmedizin und Endokrinologie, eröffnete das Herbstsymposium der MS-Gesellschaft Wien mit einem erfrischend ehrlichen Blick auf ein oft tabuisiertes Thema: Sexualität. Dabei ging es nicht nur um den klassischen „körperlichen Akt“ – nein, Sexualität beginnt viel früher, so ihre Botschaft. Schon beim Einkaufen, bei einem Lächeln, einer ersten Textnachricht. Gerade für Menschen mit chronischen Erkrankungen wie Multipler Sklerose kann Sexualität eine wertvolle Ressource sein, die sowohl den Hormonhaushalt als auch die mentale Gesundheit positiv beeinflusst. Doch dafür, so Bayerle-Eder, braucht es Mut, das eigene „sexuelle Skript“ zu hinterfragen – jene unsichtbaren Regeln, die wir im Kopf haben, wie Sexualität „sein sollte“. Manchmal heißt das, neue Wege zu entdecken: sei es durch Beckenbodentraining, medikamentöse Unterstützung oder psychotherapeutische Ansätze.

Die kreative Kunst der Verführung

Vortragende am Herbstymposium im RingturmIm zweiten Teil des Symposiums stellte Wolfgang Kostenwein, psychologischer Leiter des ISP, eindrücklich dar, dass die Diagnose MS nicht nur körperliche Aspekte betrifft, sondern psychisch in alle Ebenen der Sexualität „hineintröpfelt“ – oft unbemerkt, aber stets wirksam. Er betonte, dass Verführung erlernbar sei und es notwendig ist, sich seiner negativen Verhaltensmuster bewusst zu werden, um das eigene Sexualleben nicht unnötig zu belasten. Er verglich den Körper mit einem Klavier, dessen Tasten und Saiten für verschiedene sexuelle Potenziale stehen, die kreativ bespielt werden können. Das Verständnis für den eigenen Körper und die Bereitschaft, Sexualität fantasievoll zu gestalten, sind entscheidend für erfüllende Erfahrungen – und das gilt insbesondere für Menschen mit Einschränkungen. Denn letztlich ist es die Fähigkeit, sich aufeinander einzulassen und das gemeinsame Spiel zu gestalten, die die Liebe lebendig hält.

Es war für uns wie immer wieder eine besondere Freude, beim Herbstsymposium zusammenzukommen – eine Veranstaltung, die nicht nur informierte, sondern auch neue Denkanstöße lieferte. Der offene Austausch über Themen, die oft wenig Beachtung finden, schuf eine wertvolle Plattform, um Tabus zu brechen und neue Perspektiven zu gewinnen. Diese Begegnungen sind für uns wichtige Fixpunkte im Jahreslauf, bei denen wir Raum für Austausch, neue Perspektiven und gemeinsames Lernen finden. 

Hier geht’s zu den Videoaufzeichnungen der beiden Vorträge.

Wir freuen uns schon jetzt auf das Frühjahrssymposium, das wieder eine Plattform für spannende Gespräche und neue Impulse bieten wird. Ein Höhepunkt, der unseren Austausch belebt und unseren gemeinsamen Weg mit neuen Ideen bereichert!