Impfen bei Multiple Sklerose

Impfungen stellen einen wirksamen Schutz vor Infektionskrankheiten dar und gehören zu den wichtigsten vorbeugenden Maßnahmen in der Medizin. Die aktuelle COVID-19-Pandemie unterstreicht noch einmal die Bedeutung von Impfungen und die Suche nach einem wirksamen Impfstoff. Eine ausreichende Immunisierung der Bevölkerung schützt nicht nur die geimpfte Person, sondern auch die besonders gefährdeten Gruppen wie ältere Menschen, Personen mit Vorerkrankungen und immungeschwächte Menschen.

Impfungen sind in unserer Gesellschaft ein sehr stark emotional besetztes Thema. Während die Einführung von Impfungen einen großen Beitrag zum Schutz vor schweren Krankheiten geliefert hat, wird in Ländern mit hohem Gesundheitsstandard auch die Sorge über mögliche Risiken von Impfungen diskutiert.

Gerade im Bereich von Autoimmunerkrankungen wie der MS ranken sich zahlreichen Mythen um mögliche impfbedingte Gefahren.

Verlässliche Aussagen zu Nutzen und Risiken von Impfungen lassen sich jedoch nur auf der Basis von Studien treffen, die methodisch einwandfrei an einer großen Anzahl von Personen durchgeführt wurden.

Hier sollen auf der Basis der aktuellen Datenlage folgende Fragen besprochen werden:

  1. Können Impfungen bei gesunden Personen MS auslösen?
  2. Schwächt eine Impfung das Immunsystem?
  3. Können Impfungen bei Personen mit MS Schübe auslösen?
  4. Wie soll man vor und unter einer MS-Therapie vorgehen?

Ad 1: Können Impfungen bei gesunden Personen MS auslösen?

Inzwischen gibt es zahlreiche Studien, die einen möglichen Zusammenhang zwischen Impfungen und dem Auftreten von Multipler Sklerose bei bislang gesunden Menschen untersucht haben. Es konnte nicht nachgewiesen werden, dass das MS-Risiko innerhalb von bis zu 5 Jahren nach einer Impfung erhöht ist. Bei manchen Impfungen könnte das M- Risiko sogar vermindert sein, doch auch dazu sind noch weitere Untersuchungen erforderlich.

Ad 2.: Schwächt eine Impfung das Immunsystem?

Das Immunsystem ist von Geburt an mit einer enorm großen Anzahl an Immunzellen ausgestattet, sodass es durch Impfungen nicht überlastet wird. Durch Impfungen werden diese Zellen geschult, sodass sie bei Kontakt mit dem Erreger schnell und effektiv das Auftreten von Krankheitssymptomen verhindern können.

Die meisten Impfstoffe beinhalten inaktivierte Viren oder Bestandteile von Viren („Totimpfstoffe“). Bei Lebendimpfstoffen (Masern-Mumps-Röteln; Gelbfieber; Varizellen (Feuchtblattern)) werden abgeschwächte Viren gespritzt. Diese Impfungen können für einige Tage zu einem Schwächegefühl führen, halten aber länger an.

Ad 3: Können Impfungen bei Personen mit MS Schübe auslösen?

Bisher gibt es keinen Beweis, dass die gängigen Impfungen bei MS-Betroffenen Schübe auslösen und daher vermieden werden sollen. Eine mögliche Einschränkung stellt die Gelbfieberimpfung dar, jedoch gibt es hierzu nur eine sehr kleine Fallserie.

Ad 4: Wie soll man vor und unter einer MS-Therapie vorgehen?

Die Zahl der Medikamente zur Therapie der MS nimmt laufend zu. Wirksamere Therapien, die einen tiefgehenden Einfluss auf das Immunsystem haben („immunsuppressive Therapien“) können zu einem erhöhten Infektionsrisiko führen. Daher sind Impfungen bei MS-Betroffenen, die eine immunsuppressive Therapie erhalten sollen, besonders wichtig. Nachteil dieser hochwirksamen MS-Medikamente ist, dass Impfungen unter einer solchen Therapie eventuell weniger gut ansprechen.

Daher ist es wichtig bereits vor Beginn einer MS Therapie einen Impfstatus zu erheben und fehlende Impfungen zu ergänzen. Unter laufender Therapie können Totimpfstoffe problemlos verabreicht werden, jedoch soll der Impferfolg („Titer“) je nach Wirkstoff überprüft werden. Lebendimpfstoffe sind bei Personen, die eine immunsuppressive Therapie erhalten nicht geeignet. Bei hochaktiven Verläufen der MS empfiehlt es sich, mit dem behandelnden Arzt bzw. der behandelnden Ärztin die Dringlichkeit der Therapie mit der Notwendigkeit der Impfungen abzuwägen.

Univ.-Prof. Dr. Barbara Kornek