Persönliche Assistenz in Wien: Entwicklungen und Herausforderungen
Die Persönliche Assistenz ist ein zentraler Bestandteil der Unterstützung für Menschen mit Behinderungen und ermöglicht ihnen ein selbstbestimmtes Leben. Im Jahr 2024 wurden in Wien wesentliche Entwicklungen und Diskussionen im Bereich Persönliche Assistenz geführt. Während einige Fortschritte erzielt wurden, bleiben zentrale Herausforderungen bestehen.
Die Rolle der Persönlichen Assistenz
Persönliche Assistenz dient dazu, Menschen mit Behinderungen individuelle Unterstützung im Alltag zu bieten, sei es im Haushalt, bei der Arbeit oder in der Freizeitgestaltung. Dabei entscheiden die betroffenen Personen selbst, wie und in welchem Umfang sie Assistenz in Anspruch nehmen möchten. Dieses Konzept fördert die Autonomie und steht im Einklang mit Artikel 19 der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK), der ein Recht auf unabhängiges Leben und gesellschaftliche Teilhabe fordert.
In Österreich variieren die Regelungen zur Persönlichen Assistenz im Alltag jedoch stark zwischen den Bundesländern. Wien bietet Persönliche Assistenz derzeit überwiegend für Menschen mit körperlichen Behinderungen an. Menschen mit kognitiven oder psychischen Beeinträchtigungen haben bisher kaum Zugang zu solchen Leistungen.
Harmonisierung: Eine verpasste Chance?
Die geplante Harmonisierung der Assistenzregelungen auf Bundesebene zielte darauf ab, einheitliche Standards und eine gerechtere Verteilung der Ressourcen zu schaffen. Sie sollte die Persönliche Assistenz im Alltag für mehr Menschen zugänglich machen und bessere Arbeitsbedingungen für Assistent*innen schaffen. Im Herbst 2024 lehnte die Wiener Stadtregierung eine Teilnahme an dieser Initiative ab, obwohl dafür Fördermittel in Höhe von 52 Millionen Euro bereitstanden. In einer Mitteilung des Büros von Stadtrat Hacker an den ORF wird als Grund unter anderem genannt, dass die vom Bund bereitgestellte Finanzierung keine langfristige Sicherheit bietet. Zudem wird bemängelt, dass wichtige Details noch nicht hinreichend ausgearbeitet seien.
Die Ablehnung der Harmonisierung bedeutet:
- Begrenzter Zugang: Persönliche Assistenz bleibt auf Menschen mit körperlichen Behinderungen beschränkt, andere Gruppen werden weiterhin ausgeschlossen.
- Uneinheitlichkeit: Die Regelungen bleiben je nach Bundesland unterschiedlich, was zu Ungleichheiten zwischen den Regionen führt.
Diese Entscheidung wurde von Organisationen wie BIZEPS und der WAG Assistenzgenossenschaft scharf kritisiert, da sie als Rückschritt für die Inklusion und Umsetzung der UN-BRK gewertet wird.
Persönliche Assistenz im Alltag vs. im Arbeitsbereich
Im Gegensatz zum Alltag ist Persönliche Assistenz am Arbeitsplatz bundesweit geregelt und steht Personen ab einem gewissen Grad der Behinderung zur Verfügung. Dennoch nutzen vergleichsweise wenige Betroffene das Angebot. Gründe sind der geringe Anteil behinderter Menschen im ersten Arbeitsmarkt und eine oft fehlende Bereitschaft der Unternehmen, ihre Beschäftigungspflichten zu erfüllen.
Reform der Anstellungsverhältnisse
Eine wichtige Veränderung betrifft die arbeitsrechtliche Einstufung der Persönlichen Assistent*innen. Ab Januar 2025 müssen freie Dienstverträge, die bisher häufig in der Persönlichen Assistenz genutzt wurden, durch echte Dienstverhältnisse ersetzt werden. Diese Reform wird von der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) umgesetzt und soll zu besseren Arbeitsbedingungen führen.
- Ende der freien Dienstverträge: Tätigkeiten, die persönliche Abhängigkeit wie Weisungsgebundenheit und Arbeitsortbindung aufweisen, müssen als echte Dienstverhältnisse gemeldet werden.
- Verbesserte soziale Absicherung: Echte Dienstverhältnisse gewährleisten den Anspruch auf Urlaub, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und andere arbeitsrechtliche Leistungen.
- Herausforderungen: Für private Haushalte und kleinere Organisationen erfordert diese Änderung eine Anpassung der Verträge und erhöhten administrativen Aufwand.
Ausblick und Forderungen
Die aktuelle Situation zeigt, dass Persönliche Assistenz zwar ein unverzichtbares Instrument zur Förderung der Selbstbestimmung ist, aber in Wien weiterhin Verbesserungsbedarf besteht. Aktivist*innen und Organisationen fordern:
- Ausweitung der Zielgruppen: Menschen mit geistigen und psychischen Behinderungen sollen Zugang zu Persönlicher Assistenz erhalten.
- Bundeseinheitliche Standards: Eine Harmonisierung der Regelungen bleibt langfristig notwendig, um Inklusion flächendeckend zu fördern.
- Attraktive Arbeitsbedingungen: Die Reform der Anstellungsverhältnisse sollte genutzt werden, um den Beruf persönlicher Assistent*innen attraktiver zu gestalten.
Weiterlesen:
https://www.derstandard.at/story/3000000247682/wien-verwehrt-ausbau-der-persoenlichen-assistenz-fuer-menschen-mit-behinderung
https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20241129_OTS0076/oeziv-bundesverband-bundeslaender-koennen-sich-nicht-aus-verantwortung-stehlen
https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20241025_OTS0016/caritas-zum-16-jahrestag-der-unterzeichnung-der-un-behindertenrechtskonvention-betroffene-brauchen-endlich-taten-statt-worte
https://www.bizeps.or.at/ende-der-duldung-freier-dienstvertraege-fuer-persoenliche-assistenz-durch-die-oegk-mit-1-1-2025-angekuendigt/
https://www.wag.or.at/wiener-landesregierung-blockiert-fortschritt-persoenliche-assistenz-bleibt-fuer-menschen-mit-behinderungen-unerreichbar/
https://www.sozialministerium.at/Services/Neuigkeiten-und-Termine/Archiv-2022/Dezember-2022/verbesserungen-persoenliche-assistenz.html
https://www.behindertenarbeit.at/130686/wer-muss-soll-koennen-bedarfsgerechte-persoenliche-assistenz-in-wien-jetzt/