Frühindikatoren im Immunsystem bei MS entdeckt: Neue Perspektive in der MS-Forschung
Bei Multipler Sklerose (MS) greift das Immunsystem das zentrale Nervensystem an, was die Kommunikation zwischen Gehirn und Körper stört. Dies führt zu einer Vielzahl von Symptomen wie Sehproblemen, Koordinationsstörungen, Lähmungen und kognitiven Beeinträchtigungen. Ein Forschungsteam unter der Leitung von Privatdozentin Lisa Ann Gerdes vom Institut für Klinische Neuroimmunologie am LMU Klinikum und dem Biomedizinischen Centrum hat nun genetisch identische eineiige Zwillinge untersucht. Dabei konnten sie nachweisen, dass bestimmte Immunzellen – sogenannte CD8-T-Zellen – bereits in den frühen Stadien der Erkrankung eine zentrale Rolle spielen.
Zwillingskohorte ermöglicht die Untersuchung von Patienten mit hohem Risiko
Obwohl bekannt war, dass CD8-T-Zellen in den Entzündungsherden von MS-Patient*innen vorkommen, war bisher unklar, ob sie die Krankheit auslösen oder eine Folge davon sind. Um diese Frage zu beantworten, verglichen die Forschenden die CD8-T-Zellen von Zwillingspaaren, bei denen einer der beiden an MS erkrankt ist, während der andere symptomfrei bleibt. Diese Zwillingsstudie bietet eine einzigartige Gelegenheit, genetisch identische Menschen zu untersuchen und ein tieferes Verständnis für die frühen Mechanismen der MS zu gewinnen. „Mit dieser Patientengruppe können wir Personen mit einem hohen Risiko, an MS zu erkranken, analysieren, bevor sich die ersten Symptome zeigen“, erklärt Vladyslav Kavaka, Erstautor der Studie. Da auch der gesunde Zwilling ein erhöhtes Risiko von bis zu 25% trägt, selbst an MS zu erkranken, ist diese Kohorte besonders wertvoll, um frühe Krankheitsprozesse zu erforschen.
Bereits sichtbare frühe Krankheitsstadien
Die Forschenden verwendeten fortschrittliche Technologien wie Einzelzell-RNA-Sequenzierung und T-Zell-Rezeptor-Analysen, um
die CD8-T-Zellen aus Blut- und Nervenwasserproben der Zwillinge zu untersuchen. Dabei entdeckten sie, dass bei MS-Patient*innen und Personen mit frühen Krankheitsanzeichen CD8-T-Zellen spezifische, pathologische Veränderungen aufwiesen: Sie waren hoch entzündungsfördernd, stark aktiviert und zeigten eine erhöhte Wanderungsfähigkeit. Diese Merkmale deuten darauf hin, dass die Zellen vom Blut in das zentrale Nervensystem wandern, wo sie ebenfalls nachgewiesen wurden. Eine besonders interessante Beobachtung war, dass dieselben CD8-T-Zellen auch bei Personen ohne klinische Symptome gefunden wurden, die jedoch subklinische Entzündungen aufwiesen. Dies legt nahe, dass diese Zellen bereits in den frühesten Phasen der MS aktiv sein könnten – möglicherweise lange bevor die Krankheit diagnostiziert werden kann. Diese Erkenntnisse könnten den Weg für neue therapeutische Ansätze ebnen, bei denen die Funktion der CD8-T-Zellen gezielt moduliert wird, um das Fortschreiten der MS zu verzögern oder zu verhindern. Darüber hinaus könnten auf Basis dieser Forschung neue diagnostische Methoden entwickelt werden, die es ermöglichen, MS in einem sehr frühen Stadium zu erkennen, bevor irreversible Schädigungen des Nervensystems eintreten.
Quelle: APA, 30.09.2024
Publikation: V. Kavaka et al.: Twin study identifies early immunological and metabolic dysregulation of CD8+ T cells in multiple sclerosis. Science Immunology