Forschung an MS-Therapie mit Pflanzenpeptiden

Christian Gruber forscht mit seiner Arbeitsgruppe am Zentrum für Physiologie und Pharmakologie der MedUni Wien an einem neuen, möglichen Medikament gegen Multiple Sklerose.

Eine wissenschaftliche Arbeitsgruppe am Institut für Pharmakologie der MedUni Wien konnte in Kooperation mit der Universität Wien und Forscherenden aus Australien zeigen, dass ein aus einer Milbe gewonnenes Peptidhormon am menschlichen Vasopressin-2-Rezeptor (V2R) einen bestimmten sekundären Botenstoff aktiviert. Das ist umso erstaunlicher, weil üblicherweise von Medikamenten bzw. Wirkstoffen an Rezeptoren wie diesem – aus der Gruppe der G Protein-gekoppelten Rezeptoren – mehrere, verschiedene molekulare Signalwege in den Zellen aktiviert werden können. Das führt zu erwünschten, aber auch unerwünschten Wirkungen. Diese Peptide können nun als chemische Werkzeuge genutzt werden, um die Mechanismen der Signalweiterleitung in Zellen besser zu verstehen und somit in Zukunft einen gezielteren Einsatz von Medikamenten zu ermöglichen – mit reduzierten Nebenwirkungen. Credit: MedUni Wien

Die Arbeitsgruppe von Assoc. Prof. Dr. Christian Gruber am Zentrum für Physiologie und Pharmakologie der MedUni Wien hat sich zum Ziel gesetzt, aus Naturstoffen potentielle Therapeutika zu gewinnen – etwa aus Ameisen, Skorpionen und Pflanzen. Dabei sind insbesondere natürlich vorkommende Eiweißstoffe, sogenannte Peptide, von großem Interesse.

Die Forschenden konnten im Tiermodell zeigen, dass nach der Behandlung mit einem zyklischen Pflanzenpeptid Lähmungserscheinungen der Multiplen Sklerose stark hinausgezögert werden können. Dies stellt die Grundlage für die Entwicklung eines potentiellen Wirkstoffes zur Behandlung der Multiplen Sklerose dar.

„Unser Ziel ist es, natürliche Quellen – zum Beispiel Gifte von Tieren oder Pflanzeninhaltsstoffe zu isolieren und diese hinsichtlich ihres Potenzials in der Arzneimittelmittelentwicklung für verschiedene Krankheiten zu testen“, erklärt Gruber, der für seine Forschungen bereits nach Australien, Südamerika und Afrika gereist ist, um Materialien aus der Natur zu sammeln. Das Material kommt insbesondere von der Forschungsstation „La Gamba“ in Costa Rica und von botanischen Gärten. Aber auch aus heimischen Veilchengewächsen hat Gruber bereits interessante Moleküle isoliert.

Für Gruber ist das Interessante an den Eiweißstoffen, „dass wir sie auch in der Erbinformation von Pflanzen und Ameisen finden. Wir können diese Unmengen an Daten, die heutzutage generiert werden, durchforsten und finden mitunter Arzneimittelkandidaten und neue Stoffe, die wir untersuchen können. Wir müssen die Pflanzen nicht mehr unbedingt in aufwändigen Dschungelreisen vor Ort extrahieren.“

Der Forscher wurde an der MedUni Wien im Jahr 2015 „Inventor of the Year“ und erhielt für seine Arbeit den Heribert-Konzett-Preis 2013 der Österreichischen Pharmakologischen Gesellschaft sowie den Dr. Willmar Schwabe-Preis für Arzneipflanzen- und Naturstoff-Forschung. Darüber hinaus versucht das schwedische Unternehmen Cyxone, mit dem Wirkstoffkandidaten T20K ein mögliches Medikament zur Therapie der Multiplen Sklerose zu entwickeln. Zur möglichen Zulassung eines Medikaments und Verfügbarkeit für von MS Betroffene sind allerdings noch weitere klinische Versuchsphasen notwendig, die derzeit in Planung sind.

> www.meduniwien.ac.at/peptidforschung

Kathrin Thell, Roland Hellinger, Emine Sahin, Paul Michenthaler, Markus Gold-Binder, Thomas Haider, Mario Kuttke, Zita Liutkevičiūtė, Ulf Göransson, Carsten Gründemann, Gernot Schabbauer, and Christian W. Gruber: Oral activity of a nature-derived cyclic peptide for the treatment of multiple sclerosis, Proceedings of the National Academy of Sciences (2016). DOI: 10.1073/pnas.1519960113