Strukturreform der Sozialversicherung:
WGKK ortet Gefahr für regional zugeschnittene Versorgung

Taschenrechner und Kuli liegen auf einem weißen Blatt Papier, Credit: edar, Pixabay

Am 14. September 2018 präsentierte die österreichische Bundesregierung einen Gesetzentwurf, mit dem die Reform der Sozialversicherungen realisiert wird. Das Vorhaben soll Anfang 2019 in Kraft treten.

Ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Reform der Sozialversicherung sollen von den Kassen angebotene Leistungen österreichweit vereinheitlicht werden. Die im Gesetzentwurf verankerte, zentrale Steuerung von Berufsgruppen aus den Bereichen Physio- und Ergotherapie, Logopädie und Psychotherapie durch die zukünftige Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) bereitet der Wiener Gesundheitskassa (WGKK) Sorge.

Die Gebietskrankenkassen würden – sollte der Gesetzesentwurf Realität werden – die Möglichkeit verlieren, das entsprechende therapeutische Angebot rasch und unkompliziert an die regionalen Erfordernisse im Sinne der Patientinnen und Patienten anzupassen und auszubauen. Ingrid Reischl, Obfrau der Wiener Gebietskrankenkasse, befürchtet vor allem für die Großstadt Wien, wo diese Leistungen überdurchschnittlich oft in Anspruch genommen werden, eine Verzögerung und Verschlechterung der Versorgung.

Der vorliegende Gesetzesentwurf sieht unter dem Titel „sonstige Vertragspartner“ vor, dass Anbieter, die ihre Leistungen etwa über Vereinsstrukturen oder multiprofessionelle Zentren anbieten, künftig zentral verwaltet werden. Daraus würde sich ergeben, dass die Österreichische Gesundheitskasse mit den Anbietergruppen bundesweit geltende Musterverträge erstellt, auf deren Basis sie selbst oder die Landesstellen in ihrem Auftrag entsprechende Verträge abschließen und somit die Möglichkeiten der inhaltlichen Gestaltung auf regionaler Ebene entfällt.

Erhaltung des fein strukturierte Versorgungsnetzwerks

„Gerade im Bereich der Kinder- und Jugendpsychologie und –psychiatrie können wir auf eine langjährige gute Zusammenarbeit mit professionell aufgestellten Vereinen zurückblicken. Allein im Vorjahr wurden rund 6.500 Betroffene in den unterschiedlichen Einrichtungen betreut.“
Ingrid Reischl, Obrau WGKK

Bei Erwachsenen hätten sich etliche Anbieter auf besondere Gruppen spezialisiert – etwa bei der psychotherapeutischen Behandlung von Menschen mit Krebserkrankungen oder Multipler Sklerose.

Der Gesetzesentwurf sieht u.a. folgende Punkte vor:

  1. Finanzierung: Derzeit planen und steuern die Gebietskrankenkassen und Länder bei verschiedenen Projekten die Versorgung regional gemeinsam und auf Basis unterschiedlichster Modelle der Kofinanzierung. „Würde hier in Zukunft über einen Kamm geschoren, würde das in einzelnen Regionen nicht nur zu einer Nivellierung der Angebote führen, sondern auch bestehende Kofinanzierungsmodelle gefährden“, so die WGKK-Obfrau.
  2. Versorgungsbedarf: Da weder die Versorgungskapazitäten, noch die vorhandenen Angebotsressourcen in den einzelnen Bundesländern auch nur annähernd vergleichbar seien, würde eine zentrale Steuerung mit einheitlichen Vorgaben laut WGKK das Ziel einer möglichst kundennahen Gesundheitsversorgung konterkariere. So könnten die Gebietskrankenkassen derzeit bei drohendem Engpass relativ rasch zusätzliche Verträge mit niedergelassenen Therapeutinnen und Therapeuten oder anderen Vertreterinnen und Vertretern von Gesundheitsberufen abschließen. Diese Autonomie sei künftig nicht mehr vorgesehen.
  3. Die Erfahrung der vergangenen Jahre habe gezeigt, dass entwicklungsbedingte Beeinträchtigungen sowie psychische Störungen bei Kindern zunehmen und der Behandlungsbedarf steige, weshalb die WGKK seit 2011 ihre einschlägigen Angebote laufend ausgebaut habe. Die Anzahl der in den diversen Einrichtungen betreuten Kinder sei seither um fast 50 Prozent gestiegen. Prognosen ließen in Wien für den Bedarf der kommenden Jahre ähnliche Zuwachsraten erwarten, warnt die WGKK in einer Aussendung.

„Inwieweit eine zentrale Planung diesen Anforderungen gerecht werden kann, ist höchst fraglich. Daher sollte die Begutachtungszeit genutzt werden, um den Gesetzesentwurf so zu adaptieren, dass er den Bedürfnissen der Bevölkerung entspricht“, fordert Reischl.

>> Ministerialentwurf betreffend Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz (ASVG) geändert wird

Quelle: Wiener Gebietskrankenkasse

1. Oktober 2018