Erwachsenenvertretung neu: Selbstbestimmung trotz Stellvertretung

Symbolbild Befreiung, Credit: nolly, Pixabay

Am 1. Juli 2018 trat das neue Erwachsenenschutzrecht in Kraft. Durch die Umbenennung von Sachwaltern zu Erwachsenenvertreterinnen und -vertretern und neue Möglichkeiten und Wege der Erwachsenenvertretung soll ein Paradigmenwechsel zum Wohl der Betroffenen stattfinden. Erwachsene Menschen, die in ihrer Entscheidungsfähigkeit eingeschränkt sind, können ihre Angelegenheiten nun möglichst selbständig erledigen.

Erklärtes Ziel ist es, die Selbstständigkeit jeder Person solange wie möglich aufrechtzuerhalten und anzuerkennen und sie in ihren Angelegenheiten lediglich zu unterstützen und nicht über sie hinweg zu entscheiden. Dabei können sich Betroffene beispielsweise durch Angehörige, Freunde und Bekannte oder Beratungsstellen unterstützen lassen. Das neue Gesetz sieht nur mehr dann eine Vertreterin oder einen Vertreter vor, wenn sich dies die betroffene Person wünscht oder Nachteile verhindert werden sollen.

Das Erwachsenenschutzrecht regelt beispielsweise, welche Möglichkeiten der gesetzlichen Vertretung es gibt, wer als Vertreterin bzw. Vetreter tätig sein darf, welche Rechte und Pflichten die vertretene Person und ihre Vertreterin bzw. haben, wann die gesetzliche Vertretung beginnt und wann sie endet und welche Kosten anfallen können.

Das neue Erwachsenenschutzgesetz stellt die betroffenen Menschen in den Mittelpunkt, um deren Autonomie, Selbstbestimmung und Entscheidungsfreiheit möglichst lange und umfassend zu erhalten.

Die vier Säulen der Erwachsenenvertretung

die 4 Säulen der Erwachsenenvertretung: Vorsorgevollmacht, Gewählte Erwachsenenvertretung (gewEV), Gesetzliche Erwachsenenvertretung (gesEV), Gerichtliche Erwachsenenvertretung (gerEV)

Vorsorgevollmacht

Die Vorsorgevollmacht soll aus dem geltenden Recht übernommen werden, da sie sich weitgehend bewährt hat. Der Wirkungsbereich der bevollmächtigten person wird gesetzlich nicht beschränkt; Voraussetzung der Wirksamkeit einer solchen Vollmacht ist, dass der so genannte „Vorsorgefall“ (Vollmachtgebende Person in ist nicht mehr entscheidungsfähig) eingetreten und im Österreichischen Zentralen Vertretungsregister (ÖZVV) eingetragen ist. Die gerichtliche Kontrolle ist hier im Wesentlichen auf die Genehmigung von Entscheidungen bei medizinischen Behandlungen, soweit zwischen der Vertreterin bzw. dem Vertreter und der Vertretenen bzw. dem Vertretenen ein Dissens erkennbar wird, und bei dauerhaften Wohnortänderungen ins Ausland beschränkt. Die Vorsorgevollmacht gilt unbefristet.

Gewählte Erwachsenenvertretung

Neu eingeführt wird die gewählte Erwachsenenvertretung: Damit soll eine Lücke im aktuellen System geschlossen werden. Im Gegensatz zur Vorsorgevollmacht kann eine Person auch dann eine gewählte Erwachsenenvertreterin bzw. einen gewählten Erwachsenenvertreter bestimmen, wenn sie nicht mehr voll handlungsfähig ist. Voraussetzung ist aber, dass sie die Tragweite einer Bevollmächtigung zumindest in Grundzügen verstehen und sich entsprechend verhalten kann. Auch diese Vertretungsbefugnis setzt die Eintragung in das ÖZVV voraus und unterliegt der gerichtlichen Kontrolle. Da sie auf der – wenn auch schon etwas eingeschränkten – persönlichen Willensbildung des Vertretenen beruht, gilt auch sie unbefristet.

Gesetzliche Erwachsenenvertretung

Unter einer gesetzlichen Erwachsenenvertretung versteht die Reform die bisherige Vertretungsbefugnis nächster Angehöriger. Diese Vertretungsbefugnis soll jedoch nicht wie bisher unmittelbar kraft Gesetzes eintreten, sondern nur dann bestehen, wenn sie im ÖZVV eingetragen wird. Die gesetzliche Erwachsenenvertretung verschafft Angehörigen weitergehende Befugnisse als bisher, unterliegt dafür aber – anders als nach geltendem Recht – auch einer gerichtlichen Kontrolle. Sie muss spätestens nach drei Jahren erneuert werden.

Gerichtliche Erwachsenenvertretung

Die gerichtliche Erwachsenenvertretung soll die bisherige Sachwalterschaft ersetzen. Die Befugnisse sollen aber deutlicher als nach geltendem Recht auf bestimmte Vertretungshandlungen beschränkt sein. Eine gerichtliche Erwachsenenvertretung für alle Angelegenheiten ist nicht mehr vorgesehen. Die Wirkungsdauer einer solchen Vertretung endet mit Erledigung der Aufgabe bzw. spätestens drei Jahre nach Bestellung. Die gerichtliche Bestellung eines Erwachsenenvertreter bzw. einer Erwachsenenvertreterin soll so wie nach bisherigem Recht nur das letzte Mittel sein, die Alternativen dazu werden daher weiter ausgebaut.

1. Juli 2018