Internationaler Tag der Familie 2018

Familie: Vater, Mutter und Kind

Der 15. Mai 2018 ist der internationale Tag der Familie. Für Menschen mit Multipler Sklerose ist es besonders wichtig, von ihrer Familie Unterstützung zu erfahren.

Die Diagnose „MS“ stellt nicht nur die Betroffenen selbst, sondern auch ihre Familie vor besondere Herausforderungen.

Die Reaktion auf diese Herausforderungen hängt von verschiedenen Faktoren ab. Einerseits spielen Faktoren, die die Krankheit betreffen (z.B. die Art des Auftretens der Erkrankung – plötzlich oder schleichend, der Verlauf, Behinderung ja/nein, etc.) eine Rolle, andererseits Faktoren, die die Familie selbst betreffen. Grundsätzlich rücken einander nahestehende Menschen in Krisensituationen zuerst einmal näher zusammen.

Zeit der Diagnosestellung – Akute Krise

Die gegenwärtige Entwicklungsphase einer Familie – das „wann-im-Leben“ – spielt eine entscheidende Rolle bei der Bewältigung der Diagnose und beim Umgang mit der Erkrankung. Jeder Mensch durchläuft im familiären Rahmen einen bestimmten Zyklus (Kindheit, Jugend, Partnersuche, Familiengründung, etc.). Häufig beginnt die Erkrankung im jungen Erwachsenenalter, hier kann es durch das „Zusammenrücken“ aufgrund der Diagnose zu Schwierigkeiten in der Ablösung vom Elternhaus kommen. Oder es besteht bereits eine noch junge Paarbeziehung. Sie zeigt sich in dieser Zeit besonders gefährdet. Wichtig für das Bestehen der Beziehung ist, ob es dem Paar oder der jungen Familie gelingt, gemeinsame Zukunftsperspektiven zu entwickeln.

Tritt die Erkrankung erst zu einem späteren Zeitpunkt im Leben auf, in der bereits viele gemeinsame Ziele wie etwa die Familiengründung oder die gemeinsame Erziehung der Kinder verwirklicht werden konnten, erleichtert dies die Phase der Neuorientierung über den verbleibenden Rest des Lebens und die Bewältigung der Erkrankung.

Chronische Phase – Entwicklung einer neuen Normalität

Die chronische Phase der Erkrankung erfordert möglicherweise eine andere Gestaltung des Familienalltags und eine Umverteilung der Arbeiten im Haushalt. Auch die Wohnsituation und die Situation am Arbeitsplatz müssen überprüft und – wenn nötig – angepasst werden. Mit diesen äußeren Veränderungen geht auch eine Überprüfung und Änderung des inneren Bildes einher, das eine Familie von sich hat („Wir sind die Familie Steiner, wir gehen jeden Sonntag wandern“).

Spätestens mit Eintritt in die chronische Phase, also nach der Krise, sollte auch die Kommunikation innerhalb der Familie und nach außen in den Blickpunkt rücken. Wann darf über MS gesprochen werden und mit wem? Ist Nachfragen erlaubt? Wer außerhalb der Familie darf/soll Bescheid wissen?

Genauso wechselnd wie die Krankheit sich zeigt, genauso wechselnd sind die Gefühle, die Betroffene und Angehörige im Verlauf der Erkrankung erfassen, beispielsweise Gefühle wie Angst und Hoffnung, Zuversicht und Resignation, Verzweiflung und Optimismus. Die Auseinandersetzung mit diesen Gefühlen wird früher oder später unumgänglich.

Die Seele reagiert dabei auf die tatsächlichen Beeinträchtigungen ebenso wie auf die befürchteten MS-bedingten körperlichen, seelischen und sozialen Beeinträchtigungen. Es braucht seine Zeit, sich auf geänderte Lebensumstände einzustellen und manchmal auch professionelle Unterstützung.

Wovon hängt es nun ab, wie wir mit unseren Gefühlen umgehen können? Warum reagieren Menschen so unterschiedlich?

Wodurch jeder Mensch den Belastungen des Alltags, aber auch unvorhergesehenen Herausforderungen gewachsen ist, hängt im weitesten Sinn mit dem Gefühl der „Nachvollziehbarkeit“ und „logischen Erklärbarkeit“ der Ereignisse zusammen („ich weiß, worum’s geht“). Ein weiterer, wesentlicher Teil ist das Vertrauen in die eigenen Ressourcen („ich weiß, was mir hilft“) und nicht zuletzt, ob eine „Sinnhaftigkeit“ dieser Anforderungen erfasst werden kann („ich weiß, wofür’s gut ist).

Multiple Sklerose stellt Betroffene und  Angehörige vor die Herausforderung der Unvorhersehbarkeit, der (weitgehenden) Unerklärbarkeit, der Unsicherheit, ob die nötigen Ressourcen vorhanden sind, um mit den unterschiedlichsten Situationen umzugehen und vor die Anforderung, in äußerst belastenden Ereignissen einen „Sinn“ zu erkennen.

Für die Erklärbarkeit und Einordnung der Ereignisse sind sowohl ärztliche Aufklärungsgespräche, Beratungen rund um die Erkrankung, wie sie von den MS-Landesgesellschaften angeboten werden, und Gespräche mit anderen Betroffenen und im eigenen Freundeskreis hilfreich.

Diese Gespräche dienen dazu, sich auch über die zur Verfügung stehenden Ressourcen klar zu werden und Ideen für neue Ressourcen zu entwickeln. Gemeint sind sowohl die inneren Ressourcen wie z.B. gute Selbstfürsorge und gutes Selbstwertgefühl, aber auch äußere Ressourcen, beispielsweise eine ausreichend gesicherte finanzielle Lage.

Die Auseinandersetzung mit sich und seinem Körper, die Entwicklung und Förderung eines gefestigten Selbstwertgefühls, zu lernen Grenzen zu setzen und Grenzen anzuerkennen, Autonomie und Selbstbestimmtheit zu wahren und zu erweitern, u.v.m.  gehören zu den Aufgaben, deren Bewältigung wohl am ehesten mit einem „Sinn“ versehen werden kann. Bei diesem Prozess hat sich die psychotherapeutische Begleitung, wie sie von der MS-Gesellschaft Wien und anderen Landesgesellschaften angeboten wird, bewährt.

Auch wenn man es nach der Diagnosestellung geschafft hat, sich auf die Erkrankung einzustellen, mit den damit verbundenen Gefühlen umzugehen und gut damit zu leben, kann ein nächster Schub wieder verunsichern und eine erneute Auseinandersetzung erfordern. Diese immer wiederkehrende Auseinandersetzung mit der Erkrankung im körperlichen, seelischen und sozialen Bereich ist eine ganz besondere Herausforderung und charakteristisch für Multiple Sklerose. Es lohnt sich deshalb herauszufinden, was Sie in allen Bereichen für sich tun können, um die Lebensqualität zu verbessern.

[Psychotherapie für Menschen mit MS und Angehörige]